Verlust
Die Muhme gab durch nichts zu erkennen, dass sie sauer war. Sie nickte in eine Richtung als Aufforderung für sie, ihr zu folgen, und ging voraus. Myrie zögerte. Sie brauchte eine Augenblick, um sich wieder zu fangen. Und sie fragte sich, ob sie eine Wahl hatten. Sie kam allerdings recht zügig zu dem Schluss, dass sie sich zwar durchaus weigern konnten, zu folgen, dass sie aber gesehen und zumindest sie erkannt worden war, und egal wie sie zurück zur Schule kämen, hätte es wohl ähnliche Folgen.
Sie setzte sich in Bewegung, gerade als sich die Muhme umdrehte und auf sie wartete.
Die Muhme führte sie um die zugewucherte Landschaft herum, in der ihre Hütte stand, zu einem schmalen Pfad, der zu ihrem Haus führte.
“Myrie, du sprichst doch Gebärdensprache, oder nicht?”, fragte Sarina und beeilte sich, um mit Myrie aufzuschließen und neben ihr zu gehen.
Myrie nickte.
“Sprich mit ihr!”, forderte er sie auf.
Myrie runzelte die Stirn. “Warum?”, fragte sie.
“Ich weiß nicht. Vielleicht kannst du sie irgendwie gnädig stimmen.”, meinte Sarina.
“Ich habe nicht den Eindruck, dass sie besonders sauer wäre.”, stellte Myrie fest.
“Trotzdem.”, sagte Sarina.
Die Muhme wandte sich um und formte einige Gesten mit den Händen, bevor sie sich erneut umdrehte und weiterging. Es waren wenige Gesten gewesen, aber sie waren mit beiden Händen ausgeführt, und Myrie lernte immer noch nur, die Sprache zu formen und nichti, sie auch abzulesen.
“Was sagt sie?”, fragte Sarina.
Myrie versuchte sich an die Bewegungen zu erinnern und möglichst dazu ähnliche Zeichen, die sie kannte, mit der rechten Hand nachzubilden. “Ich bin stumm und nicht gehörlos.”, sagte sie schließlich. Beide Adjektive hatte sie noch nicht so oft wiederholt und sie war ein bisschen stolz darauf, sich erinnert zu haben.
Die Muhme wandte sich kurz um, um Myrie ein Lächeln zuzuwerfen.
Sie betraten das Haus der Muhme dieses Mal nicht, als sie es erreichten. Ara Seefisch wartete bereits vor der Tür, um sie abzuholen. Im Gegensatz zur Muhme machte sie einen sehr klar erkennbar wütenden Eindruck. Sie machte einige schnelle Gesten an die Muhme gewandt, die für Myrie viel zu schnell gingen. Sie erkannte lediglich, dass ein Bedanken darin vorkam. Dann scheuchte Ara Seefisch sie vor sich her zu einem Nebeneingang zum Schulgelände und schließlich in die Schule hinein.
In der Eingangshalle warteten weitere Lehrkräfte auf sie: Lyria Rune, Henne Lot und ein hochgewachsener, streng wirkender Elb, den Myrie nicht kannte.
“Ich schlage vor, wir teilen sie auf.”, sagte der Elb. Er hatte eine beeindruckend tiefe Stimme und wirkte unnachgiebig streng.
“Keine Frage.”, stimmte Ara Seefisch zu.
Myrie verstand das erste Mal, was eine peitschende Stimme sein sollte. Natürlich hatte der Klang ihrer Stimme nichts mit einer Peitsche zu tun, aber sie hatte eine so starke Emotion in Ara Seefischs Stimme selbst unter diesen Bedingungen nicht erwartet und sie machte ihr so große Angst, dass man sie ebenso gut mit einer Peitsche hätte bedrohen können.
“Ich schlage vor, weil Myrie und ich uns bereits vom letzten Fall kennen, dass ich mit Myrie mitgehe und Lyria mit Sarina. Trifft das auf Einverständnis bei euch zweien?”, fragte Henne Lot. Er wirkte sachlich und freundlich, wie es bei ihm üblich war, vielleicht aber auch eine Spur nervöser.
Myrie nickte und schaute zu Sarina hinüber. Auch Sarina hatte es die Sprache verschlagen, aber er gab durch Nicken sein Einverständnis.
“Denkt eine Person von euch, dass sie mehr in der Verantwortung zu steht, als die andere?”, fragte Ara Seefisch.
“Ich.”, sagte Sarina sofort.
Myrie wollte widersprechen, aber sie war nicht in der Lage, an dafür passende Worte zu denken.
“Dann komme ich mit Myrie mit?”, wandte sich Ara Seefisch an den fremden Elb.
Er überragte sie um eineinhalb Kopfhöhen und nickte genau einmal. Es war eine beeindruckende Geste, fand Myrie. Der Kopf der Person hatte sich nur sehr wenig und langsam bewegt, aber Myrie hatte das Gefühl, dass diese eine Bewegung viel mehr als einfach nur Zustimmung aussagte. Sie sagte auch etwas in der Art aus, dass sie die Situation voll im Griff hatte, und sie mehr eine Leitposition inne hatte, als die anderen.
“Kommst du, Myrie?”, fragte Ara Seefisch genervt.
Myrie wandte sich zu ihr um. Sie hatte sich mit Henne Lot in Bewegung gesetzt, und bedeutete Myrie zu folgen.
Sie fanden sich in dem Klassenraum ein, in dem Myrie meistens Unterricht hatte. Sie vermutete, dass Sarina mit Lyria Rune und dem ihr unbekannten Elb in den Kunstraum gegangen waren. Um diese Uhrzeit fand höchstens sehr vereinzelt Unterricht statt. Es war immer noch Zeit bis zum Training mit Olge, das auch schon seit einer Weile immer im Dunkeln startete. Aber wenn dieses Gespräch so enden würde, wie Myrie befürchtete, dann würde das Training mit Olge sich bald erübrigen. Oder sie müssten in Virtualitäten trainieren.
Henne Lot schob einige Tischplatten zur Seite, sodass sie sich um die Platte setzen konnten, die für die Lehrkraft bestimmt war. Sie war kleiner als die anderen. Sie setzten sich darum herum, sodass jede Person eine eigene Kante hatte und eine Kante frei blieb.
“Brauchen wir irgendwelche einleitenden Fragen, oder darf ich gleich mit meinen beginnen?”, fragte Ara Seefisch. Ihr Tonfall hatte sich gegenüber vorhin nur wenig geändert.
“Hast du Fragen, Myrie? Lass dir ruhig ein bisschen Zeit, um es dir durch den Kopf gehen zu lassen.”, sagte Henne Lot.
Myrie wusste, dass es wenig Zweck hatte, nun gründlich darüber nachzudenken. Ihr Denken war blockiert und das würde sich so schnell nicht ändern. Sie fragte sich, ob dies die letzte Möglichkeit wäre, Fragen zu stellen und wollte schon den Kopf schütteln, als ihr einfiel, dass sie genau diese Frage stellen könnte. “Darf ich später denn noch fragen stellen?”
“Natürlich. Jederzeit.”, beruhigte sie Henne Lot.
Ara Seefisch rollte die Augen. Henne Lot wandte sich ihr zu und lud sie ein, mit ihrer Befragung zu beginnen.
“Warum warst du dieses Mal im Wald?”, fragte sie knapp.
Weil es mir in der Schule zu eng ist, dachte Myrie. Sie dachte kurz darüber nach, wie sie dies formulieren könnte, als ihr in den Sinn kam, dass sie auch mit der Begründung anfangen könnte, die sie zuerst gehabt hatte.
“Aus zwei Gründen.”, antwortete sie also. “Es fing an damit, dass Sarina mir mitteilte, er höre die EM-Felder und müsste daher weit weg und das Schulgelände verlassen.”
Ihr fiel ein, dass das gar nicht richtig war. Sarina hatte ihr lediglich letzteres gesagt. Also korrigierte sie sich.
“Nein. Er hatte mir nur gesagt, er müsse das Schulgelände verlassen. Und als wir im Wald am nächsten Morgen aufgewacht sind, hat er mir gesagt, woran es liegt.”
“Ist es möglich, dass jemand die EM-Felder hört?”, wandte sich Ara Seefisch an Henne Lot.
Myrie erlebte einmal mehr das Phänomen, das sie durch die letzte dieser Situationen schon kannte, nämlich, dass Ara Seefischs Stimmung sich sehr schnell änderte, je nachdem, welche Information sie gerade hatte oder bearbeitete. An Henne Lot richtete sie sich in interessiertem Ton und die Schärfe war aus ihrer Stimme verschwunden.
“Ich denke nicht, aber ich kann mir vorstellen, dass die Initial- und Fixströme hörbar sind.”, mutmaßte er.
Ara Seefisch nickte und wandte sich sofort wieder Myrie zu.
“Dein zweiter Grund?”, fragte sie und ihre Wut schwang wieder mit.
“Ich fühle mich in der Schule eingeengt.”, sagte Myrie knapp.
“Du hast einen eigenen Spielraum!”, fauchte Ara Seefisch.
Ihr Oberkörper wurde gerade und einen Augenblick berührte ihr Gesäß nicht ihren Stuhl.
“Ich habe es mit Virtualitäten versucht. Aber ich weiß ja, dass da ein Gitter um das Schulgelände und somit um mich herum ist. Das weiß ich auch in Virtualitäten.”, versuchte Myrie zu erklären.
“Und das ist da aus gutem Grund!”, Ara Seefisch schrie beinahe.
Myrie sagte nichts dazu. Es gab dazu nichts weiter zu sagen. Sie sah Ara Seefisch einen Augenblick in die Augen. Die kleinen Muskeln um ihre Augen herum waren angespannt, die Augenbrauen etwas zusammengezogen. Dann senkte Myrie den Blick auf den Tisch vor sich.
“Weißt du, warum das Gitter dort ist?”, fragte Ara Seefisch.
“Ja.”, sagte Myrie leise zum Tisch.
“Und warum ist es dort?”, fragte die Lehrkraft.
Myrie suchte einen Moment nach Worten, dann hob sie wieder den Kopf und fixierte den Punkt zwischen Ara Seefischs Augenbrauen, bevor sie sprach.
“Das Gitter trennt das Schulgelände von dem Bereich, der für Lernende ohne Aufsicht oder ohne Sondererlaubnis zu betreten verboten ist.”, sagte sie.
“Und warum ist das verboten?”, fragte Ara Seefisch.
“Das Verbot ist zum Schutz der Lernenden gedacht, und bezieht sich auf folgende Gefahren: Die zwei größten Gefahren sind das Verlaufen und das Verunfallen. Etwa, dass Lernende Stabilität von Ästen oder anderem Terrain falsch einschätzen und abstürzen. Die weiteren Gefahren beziehen sich vor allem auf den falschen Umgang mit Tieren in Situationen, in denen Lernende diese treffen.”, sagte sie stockend, weil sie während sie sprach mehrfach in ihrem Kopf umformulierte.
“Immerhin hast du dich erkundigt.”, stellte Ara Seefisch fest, aber sie wirkte keineswegs besänftigt.
“Ich habe Amon Krknschnock dazu befragt.”, ergänzte Myrie.
“Amon weiß Bescheid?”, fragte Ara Seefisch ungläubig und runzelte die Stirn.
“Ich habe ihn nur nach den Gefahren gefragt.”, widersprach Myrie.
“Und er wollte nicht wissen, warum du danach gefragt hast?”, wollte Ara Seefisch wissen.
“Ich habe mein Interesse damit begründet, dass ich wissen gewollt habe, welcher Gefahr ich in meiner ersten Nacht im Wald ausgesetzt gewesen bin. Ich habe aber auch großes Interesse an seinem Kurs im Frühling gezeigt, durch den ich eine Erlaubnis erlangen könnte, das Schulgelände zu verlassen.”, antwortete Myrie.
Ara Seefisch wandte ihren Blick Henne Lot zu. “Das ließe sich rausfinden.”, sagte sie auffordernd.
“Myrie, hättest du etwas dagegen, wenn Amon Krknschnock auch dazu käme?”, fragte Henne Lot sie.
Myrie schüttelte den Kopf. Sie mochte ihn. Er war bisher nie laut gewesen, und meistens entspannt.
Henne Lot fingerte an seinem Ohr herum und fischte ein schwarzes Gerät davon ab, das etwa wie eine Ohrschnecke gebogen war. Er klickte darauf herum und montierte es sich wieder im Ohr. Ara Seefisch schaute ihn erwartungsvoll an, während er auf keinen bestimmten Punkt hinter Myrie blickte und ebenfalls wartete.
“Ja, guten Morgen.”, sagte er schließlich. “Wie schön, dass du schon wach bist. Es geht um Myrie Zange. Sie hat die letzte Nacht und wahrscheinlich auch vorangegangene im Dämmerwald verbracht und gibt an, dich bezüglich Gefahren außerhalb des Schulgeländes befragt zu haben.”
Henne Lot zögerte einen Augenblick lauschend, dann bewegte er seine Hand wieder zum Gerät in und um sein Ohr.
“Ja, das wäre schön. Bis gleich.”, sagte er und drückte einen Knopf auf dem Gerät.
“Er kommt gleich zu uns.”, teilte Henne Lot ihnen mit.
Ara Seefisch legte ihre langen Finger leicht gespreizt aneinander, zwischen denen Myrie die Schwimmhäute sehen konnte, und wandte sich wieder Myrie zu. “Wo wir beim Thema wären: Wie viele Nächte hast du im Wald verbracht?”, fragte sie.
“Das ist keine ganz einfache Frage.”, Myrie überlegte.
Seit Neujahr waren mindestens zwei und maximal drei Monate vergangen. Sie stand auf und ging zum Fenster. Der Himmel war inzwischen nur noch leicht wolkenverhangen und es schneite nicht mehr. Am Rand des Fensters war der Himmel von Mondenschein erhellt. Myrie öffnete mit einer Geste das Fenster und lehnte sich hinaus.
“Was macht sie da?”, fragte Ara Seefisch leise und irritiert.
Myrie erblickte den Mond, und konnte durch die dünne Wolkenschicht gerade so ausmachen, dass die Mondscheibe sehr voll war. Das hieß, dass gestern Vollmond gewesen war, es also Anfang der dritten Woche im Monat war. Es war Nientag. Also war es der sechzehnte Tag des Monats. Zurück lagen zwei Monate, einer mit 29 und einer mit 30 Tagen. Und ihre erste Nacht im Wald war die Neujahrsnacht gewesen, also gerade die Nacht, mit der der Monat begonnen hatte. Sie musste also einfach nur die Zahlen zusammenzählen.
Sie schloss das Fenster wieder und setzte sich zurück an den Tisch. “75 Nächte.”, sagte sie.
Ara Seefisch sog erschrocken die Luft ein und auch Henne Lot wirkte überrascht.
“Das ist viel.”, murmelte er.
Er machte den Eindruck, als habe er das gar nicht sagen wollen. Myrie überlegte, dass er als Vertrauenslehrkraft vermutlich hatte neutral bleiben wollen, aber er es nicht zurückhalten hatte können. Anscheinend hatte die Person, die sie verraten hatte, dahingehend nichts gewusst oder zumindest nichts gesagt.
“Wer hat uns eigentlich verraten?”, fragte Myrie neugierig.
“Hermen.”, antwortete Ara Seefisch knapp.
“Er meinte, er lege keinen Wert darauf, anonym zu bleiben.”, ergänzte Henne Lot.
“Und woher weiß er davon?”, fragte Myrie mehr sich selbst.
“Er sagte, er habe euch beobachtet, wie ihr das Schulgelände über das Gitter verlassen habt und habe sich irgendwann Sorgen gemacht, als ihr nicht wieder auftauchtet, dass ihr euch verlaufen haben könntet.”, erläuterte Henne Lot.
Myries Gesicht blieb ausdruckslos, während sie innerlich sehr irritiert und verwirrt war. Wenn Hermen sie beim Verlassen der Schule über das Gitter beobachtet hatte, dann war das gut zwei Monate her. Aus dem Zusammenhang in diesem Gespräch ging aber hervor, dass er sie heute Nacht erst verraten hatte und zwar auch für heute Nacht. Das widersprach sich. Hermen hatte also in mindestens einem Punkt gelogen. Entweder er nahm Daina in Schutz, indem er behauptete, sie hätten das Schulgelände über das Gitter verlassen, oder es war lange her, dass er sie beobachtet hatte, und er hatte sie heute auf gut Glück verraten, ohne wirklich zu wissen, wo sie dieses Mal das Gelände verlassen hätten und ob sie nicht doch irgendwo auf dem Schulgelände verweilt hätten. Aber warum hätte er sie erst jetzt oder gerade jetzt verraten sollen, wenn er sie schon ganz zu Anfang beobachtet hätte?
Myrie fuhr herum, als sich die Tür zum Unterrichtsraum öffnete und Amon Krknschnock hereinkam. Er schloss die Tür hinter sich wieder, holte sich einen Stuhl und setzte sich an die freie Seite des Tisches. All dies tat er weder langsam noch eilig, aber beschwingt.
“Du konntest wohl nicht bis zum Frühling warten.”, sprach er Myrie an.
Sie nickte.
“Wie viel Zeit hast du denn verstreichen lassen von unserem Gespräch zu den Gefahren bis zu deiner ersten Nacht im Wald?”, fragte er.
Anders als Ara Seefisch und Henne Lot wirkte er gut gelaunt. Henne Lot war eher in undefinierbarer oder neutraler Stimmung, wenn man mal von seinem einen Ausdruck der Überraschung absah.
“Es war umgekehrt. Ich habe dich nach unserer zweiten Nacht befragt.”, gab Myrie zu.
“Wir könnten an dieser Stelle einmal prüfen, ob zusammen passt, was du sagst, Myrie.”, schlug Ara Seefisch vor und wandte sich an Amon Krknschnock. “Sie behauptet, sie hätte 75 Nächte im Wald verbracht. Erinnerst du dich noch, wann ihr über die Gefahren gesprochen habt, und kommt das hin?”
Amons Blick huschte reflexartig zum Fenster. Myrie durchfuhr bei der Erkenntnis, dass er die gleichen Reflexe hatte, wie sie, das gleiche kurzweilig positive Gefühl, dass sie sonst zum Grinsen bewegte, nur dass sie es jetzt nicht tat. Anders als Myrie stand er jedoch nicht auf um hinauszuschauen und den Mond zu betrachten, sondern schien sich auch so zu erinnern, in welcher Woche des Monats sie waren. Er schloss die Augen und nuschelte flüsternd die Namen der vergangenen Tage und Monate vor sich hin, dann zählte und rechnete er.
“Exakt.”, kam er zum Ergebnis.
“Immerhin.”, seufzte Ara Seefisch.
Sie atmete tief und geräuschvoll ein und aus und richtete ihren immer noch bösen Blick wieder auf Myrie. “Wenn dir klar war, dass es solche Kurse gibt, warum habt ihr nicht danach gefragt, ob Sarina einen solchen besuchen könnte?”, fragte sie.
“Ich konnte mir auf der einen Seite zwar vorstellen, dass für Sarina ein Kurs vorgezogen würde, weil sein Problem schon sehr akut ist. Auf der anderen Seite war ich aber nicht sicher, ob, selbst wenn dieser Kurs ihm das Verlassen des Schulgeländes erlaubt, in der Erlaubnis dann auch inbegriffen ist, dass er auch die Nächte außerhalb des Schulgeländes verbringen dürfte. Die Frage ist also, ob es etwas gebracht hätte, oder wir nicht auf das Problem zurückgekommen wären, dass Sarina die Schule verlassen müsste.”, erläuterte Myrie.
“Warum sollte es für das Übernachten eine andere Regelung geben?”, fragte Ara Seefisch und ein verkniffenes Lächeln machte sich in ihrem Gesicht breit.
Myrie glaubte, dass es so etwas bedeuten musste wie, dass sie nun zugeben müsste, wissentlich etwas Unverantwortliches getan zu haben. Myrie würde dieses Urteil allerdings immer noch höchstens über die ersten zwei Nächte fällen.
“Manchmal glauben vor allem Erwachsene, in der Nacht drohe größere Gefahr.”, antwortete Myrie.
“Erwachsene?”, Ara Seefisch hob die Brauen. “Meinst du, dass ist ohne Grund so?”
“Ich vermute, der Grund ist, dass es nachts andere Gefahren gibt. Aber auch auf diese kann man sich vorbereiten.”, überlegte Myrie.
“Ihr hättet zum Beispiel erfrieren können!”, fuhr Ara Seefisch auf.
“Eher nicht.”, entgegnete Myrie. “Ich habe eine kleine Hütte mit isoliertem Boden gebaut. Sarina hatte zwei Schlafsäcke und ich einen, die zwar nicht für Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt gedacht sind, aber die haben wir auch noch nicht. Nach einer Stunde in der Hütte habe ich jede Nacht Temperaturen oberhalb des Gefrierpunkts gemessen, und wären sie darunter gesunken, wäre ich geweckt worden und unser Weg zur Schule war nicht weit.”
“Gut vorbereitet.”, stellte Amon Krknschnock fest. Er machte einen unverhohlen neugierigen Eindruck wie er sie fragend ansah.
“Ich habe dich nicht aufgefordert, dazu zu kommen, um sie zu verteidigen.”, wandte sich Ara Seefisch in scharfem Ton Amon Krknschnock zu.
“Ich denke, ich werde es trotzdem zumindest zu einem gewissen Anteil tun.”, sagte Amon Krknschnock. “Das Mädchen scheint zumindest zu wissen, was sie tut.”
“So?”, bohrte Ara Seefisch nach.
“In unserem Gespräch vor fünf halben Monaten hat sie mich sehr präzise und systematisch ausgefragt. Wir haben den gesamten Kursinhalt des Geländekurses zumindest angesprochen. Ich erklärte nicht nur, sondern bat sie auch um eigene Einschätzungen und sie lag mit jeder einzelnen richtig. Wenn ich es recht bedenke, kamen die Antworten so routiniert und schnell, dass ich nun vermute, dass sie die Inhalte bereits gut gelernt hatte, vielleicht von klein auf. Bis auf die Spinnen, nehme ich an?”, berichtete er und wandte Myrie sein Gesicht mit der letzten Frage vor Neugierde schmalen Augen zu.
Myrie nickte und Amon Krknschnocks Augen entspannten sich wieder.
“Woher kanntest du die Kursinhalte?”, fragte er.
“Von Omantra, meiner Lern-KI.”, antwortete sie.
“Tatsächlich von klein auf?”, wollte er wissen und Myrie nickte wieder.
“Warum?”, fragte Ara Seefisch.
Ihr Ärger wich nun ebenfalls wenigstens zum Teil der Neugierde.
“Ich habe in Byrglingen viel Zeit in der Natur verbracht. Im Gebirge und in Wäldern.”, sagte sie.
“Byrglingen ist der Ort, wo du herkommst?”, fragte Henne Lot.
Myrie nickte.
“Hast du auch zuvor bereits Nächte in der Natur verbracht?”, fragte Ara Seefisch.
“Ja.”, antwortete Myrie. “Omantra meinte auch, dass Erwachsene das für riskant halten könnten. Omantra hat mit mir oft über Risiken gesprochen und darüber, wie die Risiken durchschnittlich von Erwachsenen oder anderen eingeschätzt würden.”
“Seltsame Lern-KI.”, murmelte Ara Seefisch.
“Ich teile die Einschätzung der Lern-KI.”, mischte sich Amon Krknschnock erneut ein.
Ara Seefisch seufzte erneut tief. Eine Stille entstand, in der sie auf ihre Hände auf der Tischplatte hinabsah, deren Finger sie, so gut es mit Schwimmhäuten ging, ineinander verknotet hatte. Sie atmete ein weiteres Mal geräuschvoll ein und aus, bevor sie den Blick wieder hob. “Nichtsdestotrotz.”, sagte sie ruhig, inzwischen eher traurig als wütend. “Selbst wenn Myrie sich verantwortungsbewusst verhalten hat, so hat sie sich doch in einer Weise verhalten, die bewirkt, dass wir uns nicht darauf verlassen können, dass sie sich an Regeln hält.”
“Das stimmt wohl.”, gab Amon Krknschnock zu.
“Bei 75 Nächten können wir dabei auch nicht mehr vermuten, dass es im Affekt passiert wäre.”, fuhr Ara Seefisch fort.
“Auch das ist wahr.”, bestätigte auch dieses Mal Amon Krknschnock.
Seine Heiterkeit war einer Besorgtheit gewichen. Die Stimmung im Raum vermittelte Myrie, dass die Lehrkräfte dieses Gespräch nicht gern führten.
“Hast du etwas zu deiner Verteidigung zu sagen.”, fragte Ara Seefisch.
“Nein.”, antwortete Myrie.
“Die Antwort kam sehr schnell.”, warf Henne Lot ein. “Möchtest du dir nicht noch ein paar Gedanken machen?”
“Ich habe mir über diese Frage Gedanken gemacht, seit ich im Wald schlafe. Ich habe keine Rechtfertigung für mein Verhalten außer den Dingen, die ich bereits sagte. Dass ich mich eingeengt fühle.”, sagte sie und senkte den Kopf.
Amon Krknschnock brummte nachdenklich.
“Verstehe. Geht es dir denn besser, seit du im Wald übernachtest?”, fragte er sanft.
Myrie nickte ohne den Kopf zu heben.
“Hast du dir über viele solcher Fragen zuvor Gedanken gemacht?”, wollte Ara Seefisch wissen.
Myrie nickte wieder. “Ich habe mir vorgestellt, welche Fragen mir in einem Gespräch wie diesem gestellt werden könnten und habe mich darauf vorbereitet.”, bestätigte sie.
“Hast du mit Sarina darüber beratschlagt oder gesprochen?”, hakte Ara Seefisch nach.
“Nein.”, sagte Myrie zur Tischplatte.
Ara Seefisch seufzte schon wieder tief und eine weitere Stille trat ein. Myrie folgte eine Weile den Linien der Maserung in der Tischplatte mit ihren Augen, dann sah sie noch einmal vorsichtig auf. Die Stimmung kam ihr sehr bedrückt vor.
“Hast du andere Fragen oder Anmerkungen, irgendwas, was du gern ergänzen möchtest?”, fragte Henne Lot schließlich.
“Werde ich die Schule verlassen müssen?”, fragte sie die entscheidende Frage.
Die Lehrkräfte sahen einander an.
“Das steht noch nicht fest.”, sagte Ara Seefisch schließlich. “Wir werden darüber in größerer Runde beraten und auch Sarinas Aussagen mit einbeziehen. Wir würden außerdem gern mit deinem Elter sprechen, wenn du nichts dagegen hast.”
Myrie nickte zustimmend.
“Das ist in Ordnung.”, sagte sie.
“Wie ich hörte, hat Sarinas Befragung noch gar nicht angefangen. Er befindet sich im Labor bei den Technikleuten. Sie versuchen eine Lösung für sein Hörproblem zu finden.”, teilte Henne Lot ihnen mit.
Ara Seefisch seufzte ein weiteres mal und stand auf. “Dann sind wir also für jetzt erstmal fertig.”, sagte sie. “Ich denke, ich gehe noch einmal eine Runde ins Bett.”
Henne Lot machte zustimmende Geräusche und stand auch auf. Er wartete allerdings, bis alle anderen aus dem Raum gegangen waren, um den Raum zuletzt zu verlassen.
Myrie kehrte das erste Mal seit dem Neujahrstag zurück in ihr altes Zimmer. Es war ungewöhnlich belebt, vor allem für diese Uhrzeit. Sie wurde von Merlin, Daina und Hermen erwartet. Daina saß im Schneidersitz auf dem Fußende von Merlins Bett. Niemand sagte etwas, als sie hereinkam. Sie sahen sie nur fragend an. Myries Matratze lag immer noch auf Sarinas und Myrie ging unbeirrt hinüber, um sie wieder an ihre alte Position zu verfrachten. Sobald er verstand, was sie vor hatte, stand Merlin auf und half ihr dabei.
“Bist du rausgeworfen worden?”, durchbrach Hermen die Stille.
“Noch nicht.”, antwortete Myrie.
Ihr war wohl bewusst, dass Hermen sie verraten hatte, und sie war neugierig, warum er dabei nicht die Wahrheit gesagt hatte, aber sie wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte.
“Was heißt das genau?”, fragte Daina. Sie war nervös, unangenehm aufgeregt.
“Sie haben noch nicht entschieden.”, erklärte Myrie.
“Aber sie haben dich erwischt?”, bohrte Hermen nach.
“Ja.”, antwortete Myrie.
Sie hatte die richtige Position für ihre Matratze gefunden und rastete sie ein. Dann richtete sie ihre virtuelle Stange darunter wieder ein, indem sie Omantra in Gebärdensprache darum bat.
“Mist!”, fluchte Daina. “Ich habe dich die halbe Nacht versucht anzurufen. Dann bin ich auf die Idee gekommen, Merlin zu fragen. Vielleicht überlegst du mal, mich auf deine Liste von Leuten zu setzen, die immer durchkommen. Ich werde dich schon nicht ohne dringenden Grund nachts anrufen.”
Myrie reagierte nicht darauf. Sie zog sich mit einem Klimmzug an der neu eingerichteten Stange hoch und hievte sich auf ihre Matratze. Sie rollte sich so darauf, dass sie von unten nicht mehr zu sehen war. Ihr Schweißband wurde warm und kündigte an, dass sie noch eine halbe Stunde hatte, bis ihr Training beginnen würde. Sie schloss die Augen. Sie war sehr müde.
“Myrie, es tut mir so leid.”, rief Daina zu ihr hinauf.
“Ich dachte, Hermen hat mich verraten.”, sagte Myrie zur Decke gewandt.
“Weil Daina nicht kooperativ war.”, antwortete Hermen gehässig. “Also im Prinzip ist sie schuld.”
“Das ist verquere Logik.”, entgegnete Daina. “Verraten hast immer noch du Sarina und Myrie.”
“Weil du nicht kooperativ warst.”, beharrte Hermen.
“Ich lasse mich halt nicht erpressen.”, fuhr Daina ihn an.
“Ich würde es auch nicht Erpressung nennen.”, gab Hermen zu verstehen. “Myrie hat sich falsch verhalten. Sie hat außerdem Sarina und sich in Lebensgefahr gebracht, indem sie die Nacht draußen und außerhalb des Schulgeländes verbracht hat. Es war einfach richtig, das zu melden.”
Es klang zwar danach, als habe er nur über heute Nacht Bescheid gewusst, aber Myrie glaubte nun nicht mehr daran. Wenn er die Wahrheit über heute Nacht gewusst hätte, dass sie das Schulgelände durch das Haupttor verlassen hatten, wäre sein Grund für die Lüge gewesen, Daina in Schutz zu nehmen. Dann ergab es aber keinen Sinn, dass er auch hier vor Daina log. Er wusste also wahrscheinlich nur, wie sie damals das Schulgelände verlassen hatten. Er machte also auch absichtlich auf Daina einen falschen Eindruck. Myrie fragte sich, wie sie das Thema geschickt ansprechen konnte, ohne zu verraten, dass Daina ihnen Haupttorberechtigungen beschaffen hatte.
“Mit dieser Argumentation hättest du sie einfach verraten müssen, ohne spät abends noch zu mir zu kommen und mir davon zu erzählen. Oder wenn du vorher zu mir gekommen wärst aus irgendeinem Grund, etwa weil du meinen Rat gesucht hättest, dann sicher nicht mit dem Ziel, eine Entscheidung von mir über dich davon abhängig zu machen, ob du sie nun verrätst oder nicht.”, stellte Daina klar.
“Welche Entscheidung eigentlich?”, fragte Merlin.
Myrie war ihm dankbar. Das interessierte sie auch schon die ganze Zeit.
“Hermen wollte mit in meine Abenteuerspielgruppe aufgenommen werden. Aber ich habe ihm vor Wochen schon gesagt, dass wir schon vier sind und das ausreicht.”, antwortete Daina barsch.
“Weil ihr die Erfolgsbremse dabei habt, ist die voll. Ich versuche dir auch schon seit Wochen klar zu machen, dass ich besser bin.”, sagte Hermen.
“Und ich dir, dass ich keine Leute aus meiner Gruppe schmeiße, nur weil andere vielleicht besser sind.”, brauste Daina auf. “Und schon gar nicht für Leute, die mich versuchen, zu erpressen.”
“Nun ja, vielleicht hast du nun Myries Rauswurf auf dem Gewissen.”, sagte Hermen gelassen.
“Woher wusstest du, dass wir das Schulgelände verlassen hatten?”, fragte Myrie.
“Ihr habt wohl gedacht, ihr könntet euch unbemerkt davonstehlen, aber ihr ward nicht vorsichtig genug. Ich habe euch beobachtet, wie ihr hinterm Gewächshaus über den Zaun geklettert seid.”, antwortete er mit einem fiesen Klang in der Stimme.
Myrie rollte sich auf den Bauch und an die Bettkante und sah zu den anderen hinab. Sie sah, wie Daina ihn überrascht ansah, dann Myrie und dann schnell wegsah, einen grüblerischen Ausdruck im Gesicht. Hermen hatte währenddessen zu ihr hochgeschaut und Dainas Bewegungen höchstens im Augenwinkel wahrnehmen können.
“Warum hast du uns erst heute Nacht verraten?”, fragte Myrie sanft.
Hermen verarbeitete die Frage und sein Gesicht bekam eine rötlichere Farbe. Myrie hatte von diesem Phänomen gehört, aber es noch nie so deutlich gesehen. Ihm musste klar werden, dass er sich durch irgendetwas verraten hatte. Er antwortete nicht. Daina dagegen sah plötzlich auf.
“Weil es heute Nacht geschneit hat. Weil du damit gerechnet hast, dass ich sie warne, aber sie heute Nacht nicht ohne Spuren zur Schule hätten zurückkommen können.”, erklärte sie.
Hermen sagte auch hierzu nichts. Myrie vermutete, dass Daina recht hatte. Sie hätte gern den weiteren Verlauf des Gesprächs noch mitbekommen, wenn es eines gäbe, aber sie überlegte, dass sie jetzt wohl aufbrechen müsste, wenn sie pünktlich auf Olge treffen wollte. Sie hatte immerhin den Eindruck, den spannendsten Teil mitbekommen zu haben und im Wesentlichen keine Fragen mehr zu haben.
“Ich muss los.”, sagte sie, öffnete das Fenster mit einer Geste und sprang von ihrem Hochbett in die unberührte, weiße Schneefläche, die das sanfte Mondlicht reflektierte. Als sie wieder auf den Beinen stand, schloss sie das Fenster wieder und stapfte zum Baum, an dem sie Olge das erste Mal gesehen hatte. Wenn sie vorher nichts anderes absprachen, trafen sie sich immer noch hier. Olge stand an den Baum gelehnt in ihrem schwarzen Kampfanzug und wartete. Myrie hatte inzwischen gelernt, dass es einer war, aber dass Olge ihn als Alltagskleidung trug, weil sie ihn bequem fand.
“Ich dachte schon du kommst nicht mehr. Du warst schon lange nicht mehr nach mir da. Ich dachte, dir liegt vielleicht zu viel Schnee.”, begrüßte sie Myrie.
Myrie sagte nichts, sondern fing mit den Aufwärmübungen an, die sie jedes Mal durchgingen.
“Und du wirkst sehr mies gelaunt.”, stellte Olge sachlich fest. “Soll ich heute eher sanft oder eher fies mit dir umgehen.”
So eine Frage hatte Olge noch nie gestellt. Sie entschied so etwas einfach immer selbst. Wobei Myrie sich nicht sicher war, ob sie je etwas gewesen war, was Olge selbst als sanft bezeichnet hätte. Sie war nie sanft in irgendeinem herkömmlichen Sinn gewesen.
“Weder noch.”, entschied sich Myrie. “Nicht rücksichtsvoll, aber nicht ausdrücklich fies, und mit viel Bewegung täte mir gerade gut.”
Olge nickte langsam und ohne Lächeln.
Sie kam Myries Wunsch besser nach, als Myrie es für möglich gehalten hätte. Nach ihrer Endroutine blieb Myrie im Schnee liegen und weinte.
“Soll ich gehen?”, fragte Olge.
Myrie schüttelte den Kopf, wodurch sie den Schnee links und rechts von ihrem Kopf auf dem Boden platt drückte und er ihre kalten Ohren nicht mehr berührte.
Dann fiel ihr ein, dass sie vielleicht besser mit den Schultern gezuckt hätte. Zwar sollte Olge nicht ausdrücklich gehen, aber es wäre völlig in Ordnung gewesen, wenn sie gegangen wäre.
Olge ließ sich neben Myrie in den Schnee fallen. Sie ließ sich fast steif fallen, erst vorwärts, dann im Fall drehend, sodass sie auf dem Rücken landete, nur mit einer sehr leichten Biegung im Körper, die bewirkte, dass es sanft passierte. Es war eine wundervoll elegante Bewegung, fand Myrie.
“Es liegt nicht an mir, oder? Liegt es an mir?”, fragte Olge vorsichtig.
Myrie schüttelte wieder den Kopf.
“Dann würde ich nämlich nach meiner Vorgeschichte sicher verwiesen.”, murmelte Olge.
“Ich werde vielleicht verwiesen.”, flüsterte Myrie, weil ihre Stimme nicht kommen wollte.
“Was hast du getan?”, fragte Olge neugierig, aber in sachlichem Tonfall.
“75 Nächte im Wald verbracht.”, antwortete Myrie, dieses Mal nur fast tonlos.
Olge nickte langsam, was Myrie am Rande ihres Gesichtsfeldes gerade wahrnehmen konnte.
Sie lagen eine Weile schweigend nebeneinander. Myrie spürte ihre warmen Tränen, wie sie langsam zum Rand ihres Gesichts und in ihre Ohren flossen und dabei leicht kitzelten. Sie mochte das Gefühl. Auch das, wenn die Tränenspuren durch die Bewegung der Winterluft auf ihrer Haut kalt wurden. Das Weinen fühlte sich längst überfällig an, obwohl ihr in den letzten Wochen nie danach gewesen war. Vielleicht war es, dass ein Geheimnis auf ihr gelastet hatte, dass es nun nicht mehr tat, wenn auch für einen hohen Preis.
“Ich würde dir etwas zu meiner Geschichte erzählen, wenn du willst. Aber da sind Geheimnisse bei, die ich nicht einfach so teile. Ich bräuchte ein Geheimnis von dir dafür. Etwas, was dir Schwierigkeiten bereiten könnte, wenn ich es weitererzählen würde.”, sagte Olge.
Myrie überlegte. “Ich bin schon neugierig,”, sagte sie, als sie zum Schluss kam, “aber ich glaube, es sind gerade all meine Geheimnisse aufgeflogen.”
“Bist du denn nicht erst kürzlich erwischt worden?”, fragte Olge irritiert.
“Doch.”, gab Myrie als Antwort.
“Woher wissen sie, wie lange du schon im Wald warst?”, fragte Olge dann.
“Ich war ehrlich. Es wussten zu viele davon, die unabhängig dasselbe hätten sagen können.”, erklärte Myrie.
“Es sollte nie jemand davon wissen, wenn du die Regeln brichst. Es sei denn, du hast ein Druckmittel.”, murmelte Olge.
“Ich war zu zweit im Wald. Wir wurden getrennt voneinander befragt. Oder werden, ich weiß nicht, ob er bereits befragt wurde.”, wandt Myrie ein.
“Verstehe. Ich hätte dich allerdings eher so eingeschätzt, dass du so etwas allein durchziehst.”
Myrie überlegte, ob sie weiter ins Detail gehen und die Hintergründe erklären sollte, als ihr etwas anderes einfiel.
“Ich habe doch ein Geheimnis. Ich kann nicht einschätzen, wie gefährlich die Information in den falschen Händen für mich werden könnte. Vielleicht ist es nicht ausreichend.”, sagte sie.
“Erzähl es, und ich entscheide im Zweifel für dich. Nur, wenn ich sicher bin, dass es keinerlei Risiko für dich darstellt, erzähle ich dir nicht von mir.”, versprach Olge.
Myrie sah in den wolkenverhangenen Himmel hinauf, der allmählich etwas heller wurde.
“Ich habe auch meine erste Nacht nicht in der Schule verbracht.”, leitete sie ein.
“Das ist ein bekannter Umstand, ein alter Hut.”, sagte Olge.
“Ich habe in einem Baum übernachtet und mich haben Henne Lot und Ara Seefisch gesucht. Sie kamen ziemlich nah an meinem Versteck vorbei. Ich konnte ihrem Gespräch lauschen.”, erzählte Myrie.
“Moment.”, unterbrach sie Olge. “Meines Wissens kennt die Muhme den Wald und die Tiere, die darin leben, und weiß, wenn sich darin jemand aufhält. Wenn ein jemand verschwindet, wird sie gefragt, und findet die Person durch Kommunikation mit den Waldwesen üblicherweise in unter einer Stunde. Es sei denn, das Versteck wäre weiter weg. Warum haben dann Ara und Henne nach dir gesucht.”
Es war ungewohnt für Myrie, die Lehrkräfte nur beim Vornamen genannt zu hören, und ihr fiel das erste Mal auf, dass beide Lehrkräfte nach Vögeln benannt waren. Das belustigte sie etwas, aber ihr Gesicht zeigte keine Gefühlsregung.
“Darüber haben die beiden tatsächlich gesprochen. Sie meinten, es wäre ein ungünstiger Zeitpunkt für die Muhme gewesen, nicht erreichbar zu sein.”, erinnerte sich Myrie und konnte die Problematik an der Unerreichbarkeit der Muhme nun genauer einordnen.
“Hmm.”, machte Olge nachdenklich. “Sagen wir, dem war so. Wie haben dich die beiden gesucht? Sie würden ja sicher Wärmelichtsensoren einsetzen. Warum haben sie dich nicht gefunden?”
“Sie sind meinen Spuren gefolgt, soweit sie sie fanden, und haben eine kleine Drohne eingesetzt, die den Wald auf- und abflog. Ich habe allerdings gegen Ende meiner Flucht gut auf meine Spuren Acht gegeben, indem ich durch einen Bach gewatet bin und mich vorsichtiger bewegt habe. Ich habe mich außerdem gut im Baum getarnt. Ich habe meinen Schlafsack mit Baumrinde und Moos abgedeckt.”, erläuterte sie.
“Hmm.”, überlegte Olge wieder und zog ihre Schlüsse. “Du warst in einem Baum, da ist es nicht so kalt, wie auf dem Boden. Und du hast dich mit anderen isolierenden Materialien zugedeckt. Und es war Spätsommer. Ja, das ist realistisch. Und dann?”
“Ich habe ihnen gelauscht, und habe mich ihnen nicht zu erkennen gegeben, obwohl es deutlich war, dass sie nach mir suchten und sie sich Sorgen machten.”, berichtete Myrie weiter.
“Das sind bis jetzt noch Informationen, die du im Zweifel abstreiten könntest. Ich könnte herausfinden, wer dich gesucht hat, und einfach behaupten, du habest davon mitbekommen.”, stellte Olge klar.
“Sie haben sich über eine Schülerin unterhalten, die vor mehreren Jahren, vor Ara Seefischs Zeit hier, hier zur Schule gegangen ist, aber nach einem halben Jahr spurlos verschwunden ist. Ihr Name war Heddra. Sie hatte wohl gewisse charakterliche Ähnlichkeiten mit mir.”, kam Myrie zum Schluss.
“Das nenne ich spezifisch.”, sagte Olge zufrieden.
Sie entspannte sich merklich, legte die Hände hinter den Kopf. Ihr Ellenbogen landete nur wenig neben Myries linkem Ohr im Schnee.
“Heddra ist heute kein so gebräuchlicher Name mehr, aber wenn, wird er oft an Orks vergeben.”, überlegte Olge.
“Meine Mutter hieß Heddra und war Ork.”, sagte Myrie.
“War die Schülerin damals deine Mutter?”, fragte Olge.
“Ich weiß es nicht.”
“Kannst du deine Mutter fragen?”
“Nein.”
“Lebt deine Mutter noch?”
“Ich weiß es nicht.”
Myrie stellte fest, dass sie sich die Frage nie in der Deutlichkeit gestellt hatte. Natürlich war ihr bewusst, dass es der Fall hätte sein können, dass ihre Mutter inzwischen tot wäre. Aber sie hatte sich nie konkretere Gedanken darüber gemacht. Etwa wie oder warum sie gestorben sein könnte. Ein Bergunfall kam ihr am plausibelsten vor.
Ihr Schweißband wurde warm und kündigte ihr an, dass sie noch etwa zwei Sätze Zeit hätte, bevor sie aufbrechen und in den Unterricht gehen müsste, wenn sie pünktlich sein wollte. Es machte dies abhängig davon, wo sie sich gerade aufhielt.
“Die Geschichte ist ausreichend für mich.”, sagte Olge. “Ich würde dir nun meine erzählen.”
“Im Prinzip gern, aber ich muss nun los zum Unterricht. Wollen wir in der Pause einfach genau so fortfahren?”, schlug Myrie vor.
“Ich erzähle dir gern in der Pause davon, aber nicht hier im Schnee. Ich hole dich ab. Du hast in der zweiten Einheit Unterricht bei Lyria, richtig?”, bestimmte Olge.
Myrie sprang auf und bestätigte. Sie fragte sich, woher Olge das so genau wusste. Sie hatten nur Wandern zusammen. Olge war schon länger an der Schule und besuchte überwiegend fortgeschrittenere Kurse in anderen Lerngruppen.
Myrie war niedergeschlagen im Unterricht, aber ihr ging es nach dem Training etwas brauchbarer als zuvor. Außerdem war sie neugierig, was Olge erzählen würde.
Der Tag erinnerte sie etwas an ihren ersten Unterrichtstag. Es war auch ein Antag nach einem Kriesengespräch gewesen, nachdem sie eine Nacht im Wald verbracht hatte. Eine immerhin damals nur.
Dieses Mal wusste Daina aber davon schon und war nicht neugierig. Und auch keine der Lehrkräfte machte eine Bemerkung, aber bei Enuriell Stein war sie sich nicht sicher, ob sie sie böse anschaute, oder ob das ihre übliche Strenge war.
Nach Schreiben bei Lyria Rune wartete tatsächlich Olge vor der Tür. Myrie bemerkte, dass die anderen aus ihrer Gruppe einen Bogen um sie machten und dass Daina sich erschreckte, und fragte sich, ob Olge einen wirklich üblen Ruf hatte, oder in einer Art angsteinflößend aussah, die Myrie nicht so sehr wahrnahm.
Als Olge Myrie erblickte, setzte sie sich in Bewegung und Myrie folgte ihr. Sie gingen etwas schlangenlinig durch das Erdgeschoss der Schule und erst in einem Trakt, der in der Mitte stand, um den herum kleine zugeschneite Höfe durch seine Fenster zu sehen waren, begannen sie, ein Treppenhaus emporzusteigen.
“Ich habe gehört, Treppen machen dir nichts aus.”, sagte Olge, während sie zügig emporstieg. Nicht so zügig wie sonst, sie lief Myrie nicht weg, aber auch nur gerade so nicht.
Sie stiegen höher als Myrie je innerhalb der Schule gestiegen war. Das Treppenhaus, das zunächst noch Zugang zu Klassenräumen an seinen Seiten geboten hatte, verjüngte sich und führte nun einen Turm hinauf, mündete an einer Tür, die Olge öffnete. Sie tat es von Hand und nicht mit einer Geste. Die Tür wirkte älter als die meisten Türen in der Schule und war mit stabilem Material verstärkt. Sie traten in einen Kuppelraum, in dessen Mitte ein riesiges Teleskop stand. Es war eingefahren und die Dachluke, aus der es ausfahren konnte, war geschlossen. Der Raum hatte unterhalb des drehbaren Kuppeldachs eine schmale Fensterreihe und eine Glastür auf das Dach des Gebäudes. Kaum überraschend lag viel Schnee vor der Tür auf dem Dach. Soweit machte der Raum den Eindruck einer alten Sternwarte. Im unteren Bereich allerdings war er vollkommen untypisch für eine Sternwarte eingerichtet.
Es stand ein Kleiderschrank offen an einer Stelle der runden Wand. Aber der Schrank selbst war nicht rund und schmiegte sich dementsprechend nicht an die Wand. Myrie erkannte darin Kampfanzüge, wie Olge sie trug, und einige Kleidungsstücke, die Myrie noch nie an Olge gesehen hatte.
An einer anderen Wand war ein Matratzenlager eingerichtet. Es war keine EM-Matratze und es war auch keine von den schlichten weißen Decken, die darauf lag, die sie in ihrem Schlafraum hatten, sondern stattdessen lagen mehrere gemütlich wirkende und chaotisch angeordnete Wolldecken darauf. Das Kissen war bestickt und hatte eine raue, aber doch gemütlich wirkende Textur.
An einer dritten Wand stand ein Tisch mit einem Wasserkocher, einer Kanne und ein paar Tassen. Neben der Kanne lag ein Teesieb auf einer kleinen Untertasse und dampfte und auch aus der Kanne dampfte es. An der Wand zwischen Schrank und diesem Tisch war Schnur verspannt, an der Teesäckchen aufgehängt waren.
Zu guter letzt stand neben dem Teleskop ein niedriger Tisch, um den weitere Kissen verteilt waren.
“Magst du Tee?”, fragte Olge.
Sie fragte es geduldig, aber Myrie erinnerte sich vage, dass sie das nicht zum ersten Mal gefragt hatte.
“Ich weiß es gar nicht. Ich würde es probieren.”, antwortete sie.
Olge füllte aus der Kanne Tee in zwei Tassen und trug sie zum kleinen Tisch. Er war noch etwas feucht, sie musste ihn gerade abgewischt haben, bevor sie Myrie abgeholt hatte.
Womit eigentlich? Gab es hier einen Wasseranschluss? Myrie blickte sich um und fand keinen, aber stattdessen sah sie einen Kanister mit Wasser, der auf dem Schrank stand, der von ihrem Standort aus halb vom Teleskop verdeckt war.
“Kommt hier nie jemand her?”, fragte Myrie.
Olge setzte sich auf eines der ebenfalls bestickten Kissen auf die der Tür zugewandten Seite des Tisches. “Nie.”, bestätigte sie. “Das Teleskop wurde mit elektrischem Strom betrieben und hat ziemlich viel Energie gefressen. Statt es umzubauen, haben sie ein neues gebaut, das außerdem auch viel größer ist und mit neuen, sehr leicht auf einander gleitenden Materialien und Druckluftverlagerungstechnik, sodass man es von Hand leicht drehen kann.”
Myrie setzte sich ihr gegenüber an den Tisch.
“Ich habe dir auch was zu essen mitgebracht.”, sagte Olge und holte eine Brotdose aus einer Umhängetasche, die zwischen ihr und dem Teleskop lag.
“Danke.”, sagte Myrie und griff danach.
Sie öffnete die Dose, besann sich und stellte sie in die Mitte, falls Olge den Inhalt nicht nur für sie gedacht hätte. Dann griff sie sich einen Taler heraus, der den Eindruck erweckte, dass sie ihn mögen könnte und biss hinein. Er war zäh. Damit hatte sie nicht gerechnet, aber es sagte ihr zu.
“Ich habe etwa ein halbes Jahr die Nächte unerlaubter Weise außerhalb des Schulgeländes verbracht. Ich wurde nie erwischt.”, sagte Olge.
Myrie blickte ihr ins Gesicht und beobachtete ihre Züge. Sie schien leicht angespannt, aber vielleicht auch etwas stolz.
“War es dir auch zu eng?”, fragte Myrie, nachdem sie ihren Bissen aufgekaut hatte.
“Auch.”, räumte Olge ein. “Aber der Grund war eher ein anderer.”
Myrie nahm sich einen zweiten Taler. Eigentlich hatte sie gar keinen Appetit, aber es war besser, nun etwas zu essen, als dass ihr Magen in der nächsten Stunde knurren würde.
“Ich war anfangs mit zwei Mädels in einem Zimmer.”, berichtete Olge.
“Ihr hattet ein Dreierzimmer?”, fragte Myrie, sich erinnernd, dass es diese Möglichkeit für sie nicht gegeben hätte.
“Nein, die vierte Person hat halt nicht mit mir geredet.”, widersprach Olge.
Sie wirkte nicht so glücklich darüber, unterbrochen worden zu sein, und Myrie beschloss, erstmal nur zuzuhören.
“Die zwei Mädels waren gemein zu mir, ich habe sie umgeworfen, wie dich beim Spaziergang, sie haben nicht aufgehört mich zu ärgern und irgendwann hat halt die Nase vom Lobbud geblutet wie Hulle.”, zählte sie rasch auf, und murmelte dann mehr zu sich selbst. “Die sind aber auch empfindlich, diese Lobbudse.”
Myrie kaute auf ihrem Taler herum und wartete ab, wie es weiter ging, doch Olge sah in ihren Schoß hinab und sagte nichts. Myrie beobachtete sie, wie sie da saß, die Schultern gerade, aber der Kopf gesenkt. Sie wirkte unsicher.
Dann hob Olge vorsichtig den Kopf und sah in Myries neugieriges Gesicht. “Macht dir das gar keine Angst?”, fragte sie.
Myrie schüttelte den Kopf.
“Warum nicht?”
Myrie dachte nach. Sie hätte sicher Angst, wenn sie es für realistisch gehalten hätte, dass Olge ihr nun die Nase blutig schlagen wollte. Auch wenn Myrie sich eine Menge Reflexe durch Orkando antrainiert hatte, hätte sie gegen Olge keine Möglichkeit gehabt, sich zu wehren, wenn sie es drauf angelegt hätte.
“Wie oft hast du Leuten Nasen blutig geschlagen?”, fragte Myrie.
“Zwei Mal.”, antwortete Olge bitter.
“Hmm.”, machte Myrie. “Ich bin nicht sicher, warum ich nicht denke, dass du mir im Moment nicht die Nase blutig schlagen möchtest, aber mich würde das gerade sehr überraschen.”
Olge nickte. Sie schien das zu akzeptieren. Dann holte sie tiefer Luft, als bei ihr üblich, um weiter zu erzählen. “Nach dem ersten Mal habe ich nicht mehr mit Leuten in einem Zimmer schlafen wollen. Man hat mir zwar sogar angeboten, das Zimmer zu wechseln, aber ich hatte Angst, dass es mir in einem neuen genauso erginge. Da habe ich mich dann nach den Besonderheiten da draußen erkundigt und außerhalb des Geländes geschlafen. Allerdings nicht wie du im Wald, weil ich dachte, die Muhme würde das sicher mitbekommen, sondern in einer verlassenen Berghütte.”, erzählte sie. “Als mir es dann zum zweiten Mal passiert ist, stand mein Rauswurf dann so auf Messers Schneide, dass ich nur noch in Nächten in meiner Hütte außerhalb geschlafen habe, in denen ich mich beim besten Willen nicht überwinden konnte, hier zu bleiben. Ich habe dann irgendwann zum Glück diesen Raum hier gefunden.”
Sie zeigte durch den Raum, obwohl es offensichtlich war, was sie meinte. Dabei trat ein Ausdruck in ihr Gesicht, den Myrie zwischen Trauer und Glückseligkeit einordnete. Es kam ihr gar nicht so ungewöhnlich vor, diese beiden Emotionen gleichzeitig zu empfinden. Sie fühlte sich daran erinnert, wie sie sich fühlte, wenn sie an Oma Lorna dachte. Sie lächelte vorsichtig bei diesem Gedanken und griff nach der Tasse Tee, die ihre Hände wärmte. Sie hielt ihre Nase über die Tasse und die Feuchtigkeit, die daraus emporstieg, legte sich warm auf ihren Mund und ihre Nase. Sie sog sie ein, sodass auch ihre Atemwege wärmer wurden und begann zu frieren. Ein Zittern durchfuhr ihren Körper, wie lange nicht mehr. Sonst hatte sie sich immer nach der Nacht bei einer Dusche aufgewärmt. Dieses Mal war diese ausgefallen und noch dazu hatte sie nach dem Training im Schnee gelegen.
Olge beugte sich von ihrem Kissen aus zum Bett hinüber, wobei ihr Oberkörper auf der Seite langgestreckt auf dem Boden zum Liegen kam. Sie wickelte eine der Decken um ihr Handgelenk, bis es ein handliches Bündel wurde und warf es Myrie herüber. Es landete neben Myrie und sie wickelte sich darin ein.
“Vergangenen Frühling habe ich dann einen Kurs bei Gabriane Holz belegt, und darf nun das Gelände verlassen. Im Winter schlafe ich aber trotzdem hier.”, ergänzte Olge, als sie wieder aufrecht saß. “Hast du von solchen Kursen mitbekommen?”
Myrie nickte.
Sie sprachen kein weiteres Wort, saßen sich nur gegenüber und tranken den Tee, bis Myries Schweißband ihr mitteilte, dass sie zur nächsten Stunde aufbrechen musste. Sie trank den letzten Rest ihres Tees und verabschiedete sich.
Zwischen ihrer nächsten Stunde Technik und dem Wandern danach fing Henne Lot sie ab. Er teilte ihr mit, dass es am Ende dieser Woche eine Verhandlung mit mehreren Lehrkräften zu ihrem Fall geben würde, die gemeinsam darüber beratschlagen würden, wie über sie entschieden werden solle. Sollten sie zu keinem klaren Ergebnis kommen, so würde am Ende der Woche darauf eine weitere Sitzung stattfinden, in der auch ihr Vater eingeladen würde und auch sie noch einmal sprechen dürfe.
Über Sarina hingegen war bereits entschieden worden. Da es sein erster Verstoß war, wenn auch über einen längeren Zeitraum, als es Myries erster Verstoß gewesen war, und weil er eine gut begründete Angst gehabt hatte, die Schule nicht mehr besuchen zu können, wenn er über sein Problem gesprochen hätte, durfte er bleiben. Es wurde ihm natürlich klar gemacht, dass er dennoch hätte stattdessen mit einer Lehrkraft sprechen sollen, und dass es im Interesse der Schule war, eine gute Lösung für sein Problem zu finden. Es gab eine solche, mit der weder Myrie noch Merlin noch Sarina gerechnet hätten. Für Sarina wurden Hinterohrhörer erstellt, die in der Lage waren, die störenden Töne zu erkennen und mit Gegenschwingungen so zu überlagern, dass nur diese restlos aus Sarinas gehörtem Spektrum herausgefiltert wurden. Sie steckten nicht im Ohr, sodass Sarina kein Druckgefühl auf dem Kopf bekam.
Myrie war über diese Entwicklung froh, allerdings hatte sie nicht viel Platz in ihrer Gefühlswelt für Freude, da sie selbst sich sehr vor den Verhandlungen über ihr eigenes Verhalten fürchtete.
Sie beeilte sich, um pünktlich die Wandergruppe zu erreichen, und stieß zuletzt hinzu. Die Gruppe hatte etwas warten müssen und Myrie war erleichtert, dass sie nicht einfach ohne sie gegangen waren. Aber auch für diese Erleichterung hatte sie wenig Raum. Sie wurde schon kurze Zeit nach ihrem Aufbruch durch ihre Angst wieder verdrängt.
“Ich würde dich in den Arm nehmen oder meinen Arm um dich legen, wenn du willst.”, bot Merlin sanft an, der neben ihr ging.
Myrie schüttelte den Kopf. Nach kurzem Überlegen griff sie aber nach Merlins Hand und flocht ihre Finger zwischen seine. Sie war ein wenig wärmer als ihre und weich und zart, wie immer.
Myrie drückte die Hand fest. Merlin sagte keinen Ton, aber er verzog kurz das Gesicht und Myrie ließ sie lockerer.
“Es tut mir leid.”, sagte sie.
“Schon in Ordnung.”, beschwichtigte Merlin. “Du bist zwar kräftig, aber ich bin auch nicht aus Glas.”
Myrie musste erst grinsen bei der Vorstellung eines Merlins aus Glas, dann kamen ihr die Tränen. Sie versuchte sie durch Fokussierung auf ihren Atem wieder zum Versiegen zu bringen. Einmal am Tag reichte es, fand sie. Immerhin wurde sie dadurch ruhiger.
“Kannst du mich ablenken?”, fragte sie.
“Vielleicht?”, sagte Merlin und betonte es, wie eine Frage. “Hast du vielleicht wieder Fragen an mich?”
“Wie geht es Fadja?”, fragte Myrie.
Bis gerade hatte Merlins Gesicht seine Besorgnis um Myrie widergespiegelt, aber zugleich auch einen beruhigenden und vielleicht sogar leicht belustigten Ausdruck gehabt. Es hatte oft diese Kombination, Myrie kannte sie schon. Diese Lebhaftigkeit steckte an und half, schlechte Laune aufzuweichen.
Nun allerdings wichen diese Züge aus seinem Gesicht und es blieb die Besorgnis allein zurück.
“Sie ist wieder krank.”, sagte er.
“Wieder erkältet?”, fragte Myrie vorsichtig.
“Sie schreibt das. Aber sie ist seit zwei Wochen krank.”, fuhr er fort.
“Hmm.”, machte Myrie.
Sie selbst war sehr selten krank, aber Ahna beispielsweise war des öfteren erkältet, und manchmal auch zwei Wochen am Stück.
“Ist Fadja sonst selten krank?”, fragte sie.
“Das ist es nicht. Sie ist tatsächlich häufig krank. Aber das hat sie früher nicht daran gehindert, mich zu sehen.”, widersprach er. “Vor wenigen Monaten konnte sie mich dann erst nur nicht treffen und wir haben stattdessen telefoniert. Als diese neue Erkältung anfing, konnte sie auch das nicht mehr, und hat geschrieben, und nun habe ich auch seit zwei Tagen keine Briefe mehr bekommen.”
Dieses Mal drückte Merlin ihre Hand fest. Es tat ihr nicht weh, aber sein Griff war kräftiger, als Myrie ihn erwartet hätte.
“Oh.”, sagte Myrie. “Ich verstehe, warum du dir Sorgen machst.”
Sie hatte es auch vorher verstanden, aber nicht so genau gewusst, warum. Sie vermutete, dass es an diesem seltsamen Gespräch lag, dass sie damals mit Fadja geführt hatte, in dem sie sie gebeten hatte, auf Merlin Acht zu geben, wenn Fadja etwas passieren würde. Es hatte ihr dadurch einfach die Möglichkeit präsenter gemacht, dass Fadja etwas passieren konnte.
Das Thema lenkte sie auf eine gute Weise ab. Vielleicht wäre jeder Versuch, über etwas Fröhliches zu reden gescheitert, oder hätte Emotionen erzeugt, die weniger haften geblieben wären. Aber sich um ihr Herzwesen Merlin zu sorgen war für sie wichtig, wichtiger als ihre eigenen Sorgen.
Nach dem Wandern duschte sie sich lange und ausgiebig warm. Dann stieg sie die Treppen hinauf und schlich sich zu Merlin in den Musikraum, um ihm zuzuhören, wie er spielte. Er war noch verträumter als sonst. Myrie fragte sich, ob es einen Zusammenhang gab zwischen seiner Stimmung und seinem Spiel und nahm sich vor, das weiter zu beobachten.
Über das Klavierspiel schlief sie ein, was noch nie zuvor vorgekommen war. Merlin weckte sie, indem er mehrfach ihren Namen nannte. Sie erwachte aus tiefem Schlaf und kam kaum zu sich. Alles an ihr fühlte sich schwer an und war sehr unwillig, sich zu bewegen. Es brauchte eine Weile, bis sie ihren Körper dazu überredet bekam, aufzustehen und ins Bett umzuziehen. Sarina und Hermen lagen bereits in ihren Betten, aber schliefen noch nicht. An sich war es noch nicht sehr spät, aber Myrie war schon mitten in der Nacht aufgewesen und der Tag hatte sie sehr mitgenommen.
Sie wuchtete sich etwas ungeschickter als sonst auf ihr Bett, rollte sich so weit es ging an die Wand und deckte sich zu. Die Decke war ungewohnt nach all der Zeit in ihrem Schlafsack. Alles war ungewohnt, besonders, dass sie mit drei Leuten in einem Raum war. Sie wälzte sich lange hin und her, obwohl sie so müde war, bis sie schließlich in ihren Schlafsack kroch, was auch komisch war. Aber er roch noch nach Wald und das half.
Myrie hatte sich, seit sie zur Schule ging, nie ein Wochenende so sehr herbeigesehnt. Auf der einen Seite. Auf der anderen würde dies vielleicht ihre letzte Woche in der Schule sein. Nach langem Überlegen entschied sie, das Wochenende über in der Schule zu bleiben, falls es ihr letztes sein würde, damit sie sich von Merlin und Daina verabschieden könnte. Die Verhandlungen würden sich voraussichtlich hinziehen, sodass ihr letzter Zug schon gefahren sein würde, wenn sie abgeschlossen würden.
Am Antag Nachmittag traf sie sich mit Ahna und ihrem Papa in einer Virtualität. Sie trafen sich auf der Steilklippe, die Myrie schon am Anfang ihrer Schulzeit gewählt hatte, und setzten sich um einen Tisch. Es entwickelte sich ein ernstes, aber tröstendes Gespräch. Ihr Papa verzichtete darauf, Myrie zu kritisieren. Er meinte, das könne er irgendwann einmal machen, wenn es dann noch etwas dazu zu sagen gäbe, und wenn es ihr besser ginge.
Für Mandostag Nachmittag sagte Daina das gemeinsame Abenteuerspiel ab, weil sie stattdessen an einem Spielwettbewerb teilnehmen wollte, und so hatte Myrie überraschend mehr Zeit. Erst war sie traurig, weil es das letzte Mal sein konnte, dass sie dies mit Daina zusammen in der Schule getan hätte. Aber Daina versicherte ihr, dass sie weiter Teil der Gruppe bleiben würde, auch wenn sie nicht mehr diese Schule besuchen würde. Im Nachhinein war sie sogar ganz froh darüber. Sie war sehr unkonzentriert und Gafur hätte sicher oft über sie die Augen rollen müssen, hätten sie heute gemeinsam gespielt.
Nach dem Unterricht verzog sie sich auf ihr Zimmer, dass sie leer vorfand. Sie legte sich auf ihr Bett auf den Bauch, sah den großen, schweren weißen Schneeflocken zu, die vor dem Fenster herniederplumpsten, – beinahe eher kleine Schneebälle, dachte sie –, und wartete. Sie wartete auf nichts Bestimmtes, sie wartete einfach ab und sah den Flocken zu und der Schneemasse auf dem Boden, wie sie sehr langsam wuchs.
Die Verhandlung am nächsten Tag begann erst nach ihrem Unterrichtsende. Das lag unter anderem daran, dass Amon Krknschnock daran teilnehmen würde, der aber in ihrer letzten Stunde noch Geschöpfe unterrichtete. Passend zum Wetter lernten sie Schneefüchse kennen. Dazu verließen sie das Schulgelände durch den Haupteingang, der geräumt war, wichen aber bald von den gekehrten Pfaden ab und stapften durch tiefen, fluffigen Schnee Richtung Gebirge. Dort warteten sie eine ganze Weile und beobachteten durch Ferngläser nach Anleitung, bis sie eine Schneefuchsfamilie erblickten.
Die Unterrichtseinheit dauerte weniger lang als sonst, da sie durch den Schnee langsamer vorankamen. Ponde, der Gnom, hatte die meisten Schwierigkeiten und fragte Myrie irgendwann zurückhaltend, ob sie sie tragen würde. Myrie hatte keine Einwände und nahm Ponde Huckepack.
Als sie das Schulgebäude wieder erreichten, nickte ihr Amon Krknschnock zu, bevor sich ihre Wege trennten. Myrie hatte das Gefühl, dass er auf ihrer Seite stand, dass er sich für sie einsetzen würde, wenn es ginge. Aber sie wusste auch nicht, ob es ihr viel helfen würde. Sie ging nicht sofort zurück ins Schulgebäude, unschlüssig, was sie tun sollte. Merlin stellte sich ihr gegenüber hin und wartete, fest entschlossen, die Zeit mit ihr zu verbringen, wenn sie es wollte.
“Gibt es Neuigkeiten von Fadja?”, fragte Myrie.
Es war eine gute Frage, dachte sie. Entweder, Fadja ginge es besser, dann wären es gute Neuigkeiten. Oder eben nicht, dann würde sie aber vielleicht wieder auf andere Gedanken kommen.
“Im Prinzip schon.”, antwortete Merlin und sah nachdenklich zur Seite.
Myrie runzelte die Stirn, weil sie die Antwort nicht einordnen konnte, aber wartete erst einmal ab, denn Merlin wirkte so, als wolle er noch etwas sagen. Er machte einen angestrengt nachdenkenden Eindruck, als wäre es schwierig, was er sagen wollte.
“Sie hat mir eine Sprachnachricht geschickt. Gestern Abend. So etwas hat sie noch nie gemacht, und ich habe sie mir noch nicht angehört.”, sagte er.
“Du hast Angst.”, stellte Myrie fest.
Merlin nickte. Er fixierte starr die Wand des Schulgebäudes neben dem Haupteingang, doch dann wandte er doch den Kopf zu ihr.
“Würdest du sie mit anhören?”, fragte er.
Myrie sah in sein schmales Gesicht, das so viel Sorge widerspiegelte, und nickte.
“Ich würde sie gern in einer Gebirgsvirtualität hören.”, überlegte Merlin.
“In Ordnung. Wir können meinen Raum dafür nehmen.”, erklärte sich Myrie einverstanden.
Also brachen sie auf. Myrie hatte quasi erreicht, was sie erreichen wollte: Sie zerbrach sich nicht mehr den Kopf über die Verhandlung. Aber auf der anderen Seite schämte sie sich ein wenig, so zu denken. Es kam ihr so vor, als würde sie auf diese Art etwas Positives aus den Problemen anderer ziehen, was sie eigentlich gar nicht wollte.
In ihrem Raum richtete Merlin die Virtualität ein. Sie hatte große Ähnlichkeiten mit der, in der sie Fadja kennen gelernt hatte. Sie musste intensiv an sie denken, an die Art und Weise, wie sie sich bewegt oder wie sie gesprochen hatte. Nicht an die Inhalte, nur an den Klang der Stimme und den Ausdruck darin.
“Eine Sprachnachricht von Fadja.”, hörte sie unwillkürlich eine unpersönliche Stimme in ihrem Ohr, wandte sich vom Meer ab und richtete ihren Blick auf Merlin.
“Hast du es gehört?”, fragte er.
Sie nickte.
“Dann klappt die Übertragung.”, sagte er.
Er setzte sich in einen Schneidersitz, sie setzte sich dazu und er startete die Sprachnachricht.
»Merlin. Mein liebstes Herzwesen.
Wir haben nie ausführlich über mein Privatleben gesprochen. Es war nie wichtig mit dir. Und das war eines der schönsten Erlebnisse, die du mir ermöglicht hast. Es war mir wichtig, dass du eine Ahnung hast, dass ich viel älter bin als du, und ich glaube, das ist mir gelungen. Und es war so wunderschön, dass es egal war.
Aber nun, denke ich, ist es an der Zeit, dass du erfährst, was ich dir vielleicht angetan habe.«
Myrie registrierte die gleiche Stimme, die sie schon kannte, allerdings mit einem anderen Ausdruck. Sie war ein wenig heiser, aber nicht durch eine Erkältung, sondern eher dadurch, dass sie bereits viel gesprochen hatte, oder sie nervös wirkte. Es war ein vorgetragener Text. Myrie vermutete, dass er schon länger geplant und geübt worden war und abgelesen war, und nicht spontan aufgenommen. Er war langsam vorgetragen und in einer Art, in der alte Menschen das Ende trauriger Geschichten vorlasen.
“Ich bin 214 Jahre alt.”
Myrie blickte Merlin an, aber es wirkte, als wären sie beide nicht sehr überrascht darüber. Es war ein hohes Alter und Myrie ahnte, was kommen konnte. Wie Merlin es bei ihr zuvor getan hatte, rückte sie etwas näher und reichte ihm eine Hand, falls er sie halten wollte. Er wollte.
»Ich lebe in einem betreuten Wohnheim, in dem hauptsächlich so alte Leute leben wie ich. Leider fiel es mir schwer, mit den anderen etwas anzufangen. Meine Denkweise ist wohl nicht in der selben Art gealtert, wie die der anderen. Und so habe ich die Virtualitäten für mich entdeckt und dich kennen gelernt.
Als wir uns näher kamen, gab es natürlich ethische Bedenken, über die ich gründlich nachdenken musste. Es war nicht leicht, und ich bin immer noch nicht sicher, ob mein Verhalten in dieser Art richtig war. Ich habe mich bemüht, vorsichtig zu sein, Grenzen zu haben, und immer sehr darauf zu achten, zu nichts zu drängen. Es ist keine Rechtfertigung. Ich habe keine. Ich habe viel zu vieles einfach geschehen lassen, weil es wunderschön war.
Ich bedanke mich bei dir dafür, dass ich diese Innigkeit erleben durfte. Dass wir uns zusammen treiben lassen konnten und so viel über uns selbst gelernt haben. Dass wir nicht allein waren.
Diese Nachricht habe ich für dich aufgenommen für den Fall, dass ich sterbe. Das bedeutet, wenn du dies hörst, bin ich tot. Ich wünsche dir, dass du Leute kennen lernst, die für dich so gut sind, wie du es für mich warst, sodass du niemals den Halt verlierst. Deine Fadja.«
Merlin weinte nicht. Er sah still hinab auf ihre Hände, die sich vorsichtig ineinander bewegten. Er atmete flach. Dann sah er das Gras an, das zwischen ihnen lag. Die Grasstengel, die sich umgebogen hatten, wo sie saßen, und das unberührte in der schmalen Lücke zwischen ihnen. Myrie folgte seinem Blick.
“Ich verstehe den Part mit den ethischen Bedenken nicht so richtig.”, merkte sie leise an.
“Ich auch nicht.”, sagte Merlin.
Es klang dumpf und ausdruckslos, wie er dies sagte. Myrie beobachtete aufmerksam sein Gesicht. Es war ebenfalls ausdruckslos, zeigte kaum Regung.
“Ich hatte eigentlich damit gerechnet.”, sagte er. “Warum tut es trotzdem so etwas mit mir?”
Myrie kam nur ein Gedanke dazu in den Sinn und sie hielt sich nicht auf, ihn auszusprechen.
“Warum sind Schneeflocken so schön symmetrisch?”