FLINTA*-Spaces

Content Notes: Rassismus, Gate Keeping, sexuelle Übergriffigkeit - erwähnt, Othering, Transfeindlichkeit

Was heißt FLINTA*?

FLINTA* ist die Abkürzung für Frauen, Lesben, inter*, nicht-binäre, trans und agender Personen. Dass Lesben hier gesondert aufgeführt werden, führt oft zu Verwirrung. Was habe eine sexuelle Orientierung in einer Aufzählung von Geschlechtern verloren? Im Zusammenhang mit FLINTA wird das L aber nicht in der Rolle einer sexuellen Orientierung aufgeführt, sondern tatsächlich im Geschlechtszusammenhang. Es gibt Lesben, die keine Frauen sind, die aber auch keines der anderen Label aus FINTA passend empfinden, - folglich passt keines der anderen. Dazu gibt es hier einen Artikel, der über Lesben als auch Identität im Geschlechtszusammenhabg ein wenig erklärt. Ich hätte gern einen Blogartikel hier verlinkt, der speziell das L in FLINTA* erklärt, aber ich kenne bisher keinen, der nicht in mindestens anderen Punkten furchtbar gatekeepend geschrieben wäre.

Es sei außerdem angemerkt, dass durchaus nicht alle genderqueere Menschen zwischen geschlechtlicher Identität und sexueller/romantischer Orientierung trennen. Für einige Menschen ist ihr Geschlecht etwas, das in einem kulturellen Zusammenhang gewachsen ist, das weiße Menschen im Rahmen von Kolonialismus unterdrückt haben und immer noch unterdrücken. Diese grundsätzliche Trennung in Geschlecht, sexuelle/romantische Orientierung und soziale Rolle, die übergriffig oft auf alle Menschen übertragen wird, ist erasend und diskriminierend und ein weißes Konstrukt, es ist rassistisch. Aus diesem Grund kann ich mir vorstellen, dass Acronyme wie FLINTA* oder LGBTQASIN* dahingehend angepasst werden sollten, aber als selbst weiße Person werde ich da nichts entwerfen, sondern zuhören und übernehmen. Leider habe ich auch hierzu bislang keine Quellen, die nicht in anderen Punkten furchtbar gatekeepend und gaslightend geschrieben wären. Der Stern am Ende des Akronyms soll unter anderem schon im vorhinein Raum für Personen schaffen, für die es in Zukunft erweitert würde, und auch für Leute, die in diesem Spektrum abgebildet aber mit keinem der Begriffe präzise gelabelt sind.

Warum FLINTA*-Netzwerke/Aktionen?

FLINTA* ist also ein Sammelbegriff für Menschen, die im Patriarchat oder bezüglich Sexismus, also im Zusammenhang mit Geschlecht Diskriminierung erfahren. Ich sage hier "im Zusammenhang mit Geschlecht" und nicht "wegen ihres Geschlechts", weil Männer nicht wegen ihres Geschlechts im Patriarchat Nachteile haben, aber trans Männer im Zusammenhang mit Geschlecht eben schon. There is no such thing as male priviledge, das trans Männer irgendwoher bekämen, weil sie männlich sind. Um in das Thema weiter einzusteigen, empfehle ich The Other Side Of TERF - Not All Men, ein Artikel, der ohnehin die Frage in der Überschrift ausführlich beantwortet.

Der verlinkte Artikel erklärt, warum Sexismus und Patriarchat sich für Menschen in Abhängigkeit von verschiedenen Marginalisierungen, wie etwa behindert sein, zwar verschieden ausprägt, aber alle FLINTA*-Personen grundsätzlich in gleicher Weise trifft. Sprich, solche Dinge wie sexuelle Übergriffigkeit erleben etwa trans Männer und nicht-binäre Personen in gleicher Weise wie zum Beispiel dya cis Frauen, manchmal sogar schlimmer, wegen Aberkennung von Menschlichkeit. Manchmal vielleicht etwas weniger, aber es gibt auch dya cis Frauen, die es etwas weniger erleben als andere.

Warum sollte es also FLINTA*-Netzwerke/Aktionen geben, die aus meiner persönlichen Sicht zumindest zu einem Teil Frauen-Netzwerke/Aktionen ersetzen sollten?

Mir fallen keine Gründe ein, warum eine Aktion exklusiv für Frauen, aber nicht für FLINTA*-Personen sein sollte. Geht es um Feminismus, sind wir mit betroffen. Geht es um Safe Spaces, sind wir auch mit betroffen. Geht es um Beförderung weiblicher Eigenschaften, ist die Frage, was jene Eigenschaften weiblich macht. Geht es dabei um Eigenschaften, die Frauen zugeschrieben werden, die mehr Sichtbarkeit bekommen sollen? Dann bin ich voll dafür, dass wir das tun, aber diese Zuschreibung gleichzeitig dekonstruieren, weil die Zuschreibung selbst sexistisch und vor allem transfeindlich ist. In dem Augenblick, in dem wir uns von der Zuschreibung lösen, wird es aber wieder ein Raum für alle, vielleicht mit Fokus auf FLINTA*-Personen, aber auch auf alle gendernonconforming Männer.

Die Antwort auf die Frage ist also, dass Frauen-Netzwerke systematisch schon im Namen Personen gatekeepen, die der ganze Unfug in (fast) gleicher Weise auch betrifft. Dieses Gatekeeping tut weh und muss aufhören.

Warum nur inter*, nicht-binäre, trans und agender Personen highlighten und nicht zum Beispiel Ableismus? Müssten wir uns dann nicht um alles kümmern?

Der Schritt, aus Frauen-Netzwerken/Aktionen FLINTA*-Netzwerke/Aktionen zu machen, wirft scheinbar ein Highlight auf eine bestimmte Diskriminierungsform, nämlich Queerfeindlichkeit, genauer Trans-, Inter- und Nichtbinärfeindlichkeit. Häufig kommt die Reaktion auf so eine Anfrage, eins könne sich nicht um alles kümmern. Wenn diese Diskriminierungsform betrachtet wird, dann wäre es nur konsequent, alle anderen Diskriminierungsformen mitzudenken, wie etwa Ableismus, Rassismus, Antisemitismus. Und ich bin voll dafür, dass wir alle Diskriminierungsformen angehen. Außer Sexismus werden nämlich häufig andere Diskriminierungsformen voll vergessen. Das ist großer Mist und muss sich ändern.

Aber das ist ein anderes Problem. Es geht bei der Arbeit an gatekeependen Bezeichnungen nicht darum, eine andere Diskriminierungsform zu highlighten. Aus feministischen Aktionen sind zum Beispiel Menschen mit Behinderungen oft ausgeschlossen, weil sie nicht barrierearm sind, oder weil Diskriminierung passiert, die weh tut. Aber das passiert eben nicht schon im Namen. Wenn es um Sexismus geht, dann schreiben wir nicht abled-FLINTA-Netzwerk oder abled-Frauen-Netzwerk, nicht systematisch. Dann wäre (hoffentlich) was los, wenn Leute ankämen und sagten, wir können den Namen nicht ändern, weil wir uns nicht um alles kümmern können. Wogegen für genderqueere Menschen bei feministischen Aktionen, die sich nur um Frauen drehen, dieses GateKeeping schon im Namen steckt und zwar systematisch. Es geht hier also nicht um ein Spotlight auf Trans-, Inter- oder Nichtbinärfeindlichkeit, sondern darum, bei einer Aktion gegen Sexismus nicht Leute systematisch auszuschließen, die es in selber Weise mit betrifft.

Der Grund, warum es nicht einfach nur Netzwerke gibt, die sich mit marginalisierten Personen allgemein befassen, ist ein Themenfokus und Safe Space-Aspekt. In einem FLINTA*-Netzwerk sollten wir uns zum Beispiel sicher sein können, dass wir ein Patriarchat-bedingtes Ungleichgewicht bezüglich sexueller Gewalt nicht erst erklären müssen. Der Aspekt, dass Personen in so einem Space sich nicht vorstellen können, in welcher Regelmäßigkeit sexuelle Gewalt gegen FLINTA*-Personen passiert und wie das aussieht, muss nicht jedes Mal wieder in Angriff genommen werden, sondern ist im Wesentlichen allen bekannt oder von allen erlebt worden.

Aber es sollte sie geben, diese Netzwerke, die sich mit Intersektionalität und Diskriminierung allgemein auseinandersetzen, und zwar viel mehr. Wenn viele ehemals Frauennetzwerke die Wende dorthin machen, bin ich voll dafür.

Warum sind FLINTA*-Netzwerke/Aktionen nicht safe für zum Beispiel trans Personen?

Wird eine Aktion von Frauen auf FLINTA*-Personen erweitert, wird erst einmal nur das GateKeeping im Namen adressiert. Das macht FLINTA*-Netzwerke oder FLINTA*-Aktionen nicht automatisch safe für zum Beispiel trans Personen. Das ist ein etwas seltsames Gefühl. Einerseits kämpfe ich für diese Änderung, andererseits ist dann nicht alles gut, wenn der Name geändert ist, nicht einmal ansatzweise. Aber das ist eigentlich genau das, was ich erwartet habe: Genauso, wie FLINTA*-Aktionen nicht automatisch safe für Menschen mit Behinderungen sind, weil Ableismus nun mal an der Tagesordnung steht, erwarte ich, dass FLINTA*-Aktionen nicht automatisch safe für zum Beispiel trans Menschen sind, weil Transfeindlichkeit an der Tagesordnung steht.

An dieser Stelle ist vielleicht noch einmal festzuhalten, dass diese Diskriminierung nicht irgendetwas ist, was weit entfernt da draußen passiert von irgendwelchen Leuten, wogegen wir uns zwar als zum Beispiel Fantastik-Community stark machen (eine Community, in der ich diese Awareness zuletzt versucht habe zu schaffen), aber was eigentlich nicht von uns ausginge. Wenn inter*, nicht-binäre, trans oder agender Personen etwa Transfeindlichkeit in dieser Bubble angesprochen haben, dann wurden wir bis vor ein paar Wochen zuverlässig als der böse Transmob geframed. Es gibt Personen in der Fantastik-Community, die öffentlich so etwas getweetet haben, wie, kaum äußere man sich mal sachlich als cis Person zu Transthemen, wird man in einen Löwenkäfig aus wütenden trans Menschen geworfen, das mache man nie wieder. Bei der Frage, ob eine Frauenaktion in eine FLINTA*-Aktion umgewandelt werden könne, oder anderweitig das Gatekeeping adressieren könne, erlebe ich regelmäßig die Argumentation, dass das wegen des expliziten Ausschlusses von dya cis Männern zu einem Shitstorm führen könne und das deshalb nicht ginge. Vielleicht ist Tweetenden dabei nicht bewusst, dass sie damit aussagen, lieber diese Minderheit ausschließen, weil sie vor der Diskriminierung, die jene täglich abbekommt, Angst haben, und jene ihnen im Unterschied zu dya cis Männern nicht gefährlich werden kann. Ich erlebe in einer solchen Regelmäßigkeit, dass niemand was sagt, und dann sind da zwei bis drei inter*, nicht-binäre, trans oder agender Personen, die einfach niedergewalzt werden und dann noch als böses trans-Twitter geframed werden. Mir landen außerdem regelmäßig Leute in meinen DMs und erklären mir, warum ich falsch läge. (Nachfragen finde ich persönlich okay, dazu sind meine DMs offen, das ist was anderes. Auch nicht übertragbar auf andere, ich kann nur für mich sagen, dass ich offen für Nachfragen bin. Ich rede in diesem Zusammenhang von Leuten, die mir explizit erklären, warum ich schlecht wäre und mein Gerede falsch, ohne je einen Blogartikel von mir gelesen zu haben.) Das macht etwas mit einem. Es macht Selbstzweifel, eben auch weil es von Personen kommt, die in den jeweiligen Communitys als durchdacht und intersektional feministisch gelten. Es macht psychisch hart kaputt und gaslightet. Das geht nicht nur mir so. Ich kenne noch ein paar Personen, die dadurch sehr kaputt gegangen sind und diese Selbstzweifel fortwährend haben, auch wenn sie nicht so klingen. Wenn eine Person nicht offen und klar Stellung gegen so etwas bezieht, ist selbst ein FLINTA*-Space, den sie kreiert, für uns nicht safe.

Warum FLINTA*-Netzwerke und nicht Frauen-Netzwerke, wenn erstere doch eh nicht safe sind?

Ich erwarte nicht, dass ein FLINTA*-Netzwerk safe ist. Ich gehe da mit derselben Angst vor Transfeindlichkeit hinein, wie in ein Frauennetzwerk, beziehungsweise, in ein Frauennetzwerk gehe ich halt nicht hinein, weil ich keine Frau bin. Der Wunsch nach dieser Öffnung ist im Wesentlichen, weil das richtig ist. Weil es zu Ende gedacht ist, welche Gruppe es anspricht, wenn es um Sexismus und Patriarchat geht. Weil das Gatekeeping im Namen weh tut und falsch ist. Ein Frauennetzwerk ist etwa auch nicht automatisch safe für trans Frauen. In einem Gespräch mit trans Frauen und demiweiblichen Personen in meiner Peer Group ergab sich zumindest, dass sie mit großer Angst in entsprechende Safe Spaces gehen, wenn jene nicht klar öffentlich Stellung gegen Transfeindlichkeit beziehen. So ist das mit jeder marginalisierten Minderheit. Diese Angst ist immer da, sie ist berechtigt und geht nicht einfach durch eine Namensänderung weg. Das macht es nicht weniger nötig, zu überdenken, dass sich im Zusammenhang mit Diskriminierung auf Frauen zu beschränken, allein schon gatekeept.

Ermutigung, Fazit

Ich arbeite an diesem Problem seit über sieben Jahren. Ich habe sehr viele schmerzhafte Einzelgespräche darüber geführt. Nun erlebe ich zum ersten Mal, dass sich etwas tut. Es werden tatsächlich Formulierungen und Projekte angepasst.

Während es auch nach einem Auseinandersetzen mit dem Thema, öffentlichen Stellungnahmen und Beistand sicher noch viel zu kritisieren gibt, passiert das für mich auf einem anderen Level, auf Augenhöhe, weil ich mich nicht mehr auf einer Ebene verteidigen muss, auf der es um Akzeptanz meiner Existenz geht. Öffentliche Statements von cis-Allys zumindest sind bei mir Auslöser dafür, dass ich keine ständigen, psychisch sehr belastenden Kreisgedanken mehr habe, in denen sich die Selbstzweifel widergespiegelt haben, ob nicht vielleicht doch ich eklig und widerwärtig wäre.

Ausblick in der Fantastik-Bubble

Wie schon angedeutet, bezog sich die Kritik an diesem Problem zwar auf viele Netzwerke und Aktionen, aber dort, wo es derzeit zu einer Änderung kommt (ich bin gespannt, wie weitreichend), und was Anlass zu diesem Artikel und vielen anderen Artikeln gegeben hat, ist das GateKeeping, Biologismus und Nicht-binär-Feindlichkeit der feministischen, deutschsprachigen Fantastik-Bubble auf Twitter. Eines der Projekte, die aus dem binaristischen Gedanken bezüglich Sexismus und Patriarchat entstanden ist, dass jene Diskriminierung vor allem Frauen beträfe und highlighten sollte, ist die Lesechallenge #WirLesenFrauen. Das Projekt, beziehungsweise die schaffende Person @Variemaa, war schon immer bestrebt, möglichst inklusiv zu sein und auch andere Diskriminierungsformen in den Fokus zu nehmen und zu verstehen. Ein konsequenter Schluss mit der im Artikel ausgeführten Kritik daraus ist nun das neue Projekt #diverserlesen. Hier wurden beide der genannten Möglichkeiten gewählt:
  • Es wird sich hier, wenn es um Sexismus und Patriarchat geht, nun nicht nur auf Frauen, sondern auf alle FLINTA*-Personen bezogen.
  • Die Challenge wurde auf möglichst viele Marginalisierungen erweitert, sodass nicht nur Sexismus im Vordergrund steht.
Durch auch öffentliches Erklären seitens der anderen Mitorganisierenden des Projekts, NoraBendzko und Evanesca, die mich und andere FLINTA*-Personen auf Twitter und anderen Plattformen beim Aufklären entlasten, habe ich auch das Vertrauen gewinnen können, dass sich nicht nur im Namen etwas ändert, sondern dieser Space für mich safe ist und hoffentlich auch für andere safe sein oder werden kann. Daran möchte ich arbeiten. Daher und auch weil ich hinter der Idee stehe, möchte ich das Projekt unterstützen und, wie das so meins zu sein scheint, daran arbeiten, es so inklusiv, wie eben möglich zu gestalten, zuhören und umsetzen. (Natürlich habe ich als behinderte, psychisch kranke Person auch Grenzen, aber im Rahmen dieser widme ich dem Kampf für Akzeptanz einen großen Teil meiner Energie.)

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