Geständnis: CDU
CN: Ableismus Sanismus Gewalt Schule
Ich gebe es sehr ungern zu, aber: Ich hätte in meiner späten Schulzeit CDU gewählt, und ich möchte hier ausführen, warum, in der Hoffnung, dass es hilft.
Am Ende wird das ein Aufruf gegen Ableismus und Sanism.
Meine politische Haltung während der Schulzeit
Ich habe das Fach Politik lange überfordernd, unübersichtlich und langweilig empfunden: was interessiert mich, wie sie die demokratischen Ideen jetzt genau Bundestags-technisch umgesetzt haben? Ich sehe eine gewisse Relevanz, aber es kommt mir so wie die Frage nach dem passenden Schulsystem vor: Wir haben zu wenig Lehrkräfte und wir haben eine riesige Menge an diskriminierenden Strukturen verinnerlicht. Irgendwie glauben wir nach der (grundsätzlichen) Abschaffung von Schlägen immer noch, dass Gewalt gegen schlechte Leistung hilft. Emotionale Gewalt, psychisch unter Druck setzen, abwerten, erniedrigen. Es gibt sogar sehr gute Argumente gegen Noten. (Ein englisches Youtube-Video zur Studienlage zu Noten). Wenn wir daran arbeiten, dann verbessern wir Schule einfach in riesigen Schritten. Wogegen ein anderes Schulsystem im Vergleich nur ein lächerlicher Versuch ist, innerhalb des gegebenen, toxischen Mindsets, also ohne etwas an den Problemen emotionaler Gewalt und Personalmangel zu arbeiten, mit möglichst wenigen Ressourcen etwas zu verbessern. Und vielleicht verschlimmbessert es eher, allein wegen der Unruhe durch ständige Wechsel.
Wie wir Bundestag-wise Politik umsetzen, also wie genau Wahlen ablaufen, wer wen wie kontrolliert, denke ich, ist abgesehen von den sehr grundlegenden Ideen Feinschliff, der eigentlich nach einem anderen Brocken an Arbeit kommen sollte: Wir sollten über faschistisches Gedankengut reden, einsehen, dass (mindestens fast) alle immer noch viel davon verinnerlicht haben (Sanism, Klassismus, Ableismus, Rassismus, Antisemitismus, anti-muslimischen Rassismus, Transfeindlichkeit, Queerfeindlichkeit, all diese -ismen) und mal wirklich anfangen, das zu entlernen. Und zwar hauptsächlich mit einem Blick auf heute und auf verinnerlichte, kulturelle (deutsche/weiße) Ideale.
Damit meine ich unter anderem so Leitsätze, die mir immer wieder begegnen, wie: “Wer was zu essen haben will, sollte auch arbeiten. Wer nicht arbeitet, ist faul. Eingewanderte verdienen Respekt nur, wenn sie sich unserer Kultur anpassen. Nach zwei Jahren Gymnasium trennt sich die Spreu vom Weizen. Akademische Laufbahnen sind viel zu durchlässig für den Pöbel geworden. Wer studiert hat, sollte auch mehr verdienen.” Solche Sätze, und die verinnerlichte Überzeugung, dass sie schon irgendwie stimmen, meine ich. Ich denke, wenn wir Wege finden, diesen Mist gemeinsam zu entlernen, hat das einen viel größeren politischen und gesellschaftlichen Effekt als die konkrete Wahl des politischen Systems. (Wobei Kapitalismus schon der Inbegriff eines Widerspruchs zu entsprechenden Werten ist.)
Deshalb unter anderem jedenfalls schreibe ich facettenreiche Bücher, die vielleicht so manchen helfen, nicht zu unterdrücken, weder sich noch andere, und sich gegen emotionale Gewalt zu wehren. Das ist mein politischer Beitrag.
Das ist heute meine Einstellung und das war sie etwas weniger differenziert auch damals. Entsprechend lost war ich im Politikunterricht.
Bis das Thema “Politik-Philosophie” dran kam. Die makroskopischeren Fragen nach dem System: Überhaupt Demokratie, oder was ist mit Sozialismus oder Kommunismus? Wir haben Marx und Rousseau behandelt und auf einmal war mein Interesse geweckt und ich brannte für Politik!
Ich behaupte nicht, dass diese politischen Philosophie-Menschen unproblematisch gewesen wären, und vor allem sind im Unterricht auch gewisse Diskriminierungs-Ideologien, die jene Personen auch in ihren Schriften vermitteln, unter den Tisch gefallen (gekehrt worden?). Aber als wir uns in diese makroskopischen politischen Fragen vertieft haben, wusste ich: Ich mag die grundsätzlichen Ideen von Kommunismus, Sozialismus und Anarchie. Ich bin so richtig, richtig links. Ich wusste das spätestens in der zehnten Klasse und sah mich mit einer ganzen Reihe “Kommunismus hat nie funktioniert, guck nach Russland und China”-Sätzen konfrontiert.
Also befasste ich mich damit, etwa mit Prager Frühling, und blieb bei meinem Schluss: Ich finde immer noch die Frage, wie gehen wir mit unserer direkten Neighbourhood (Umgebung) um, am wichtigsten und erst dann die Frage nach dem konkreten System. Demokratie allein ist mir nicht links genug. Das sollte aus meiner Sicht ergänzt bis ersetzt werden durch irgendwas in Richtung Sozialismus/Kommunismus/Anarchie. Eine Demokratie ist nicht automatisch sozial. In einer Demokratie verlieren marginalisierte Menschen. Damit eine Demokratie nicht eh schon getroffenen Menschen weiter weh tut, brauchen wir Regelungen, die diese schützen, oder müssen uns darauf verlassen, dass die Mehrheit sozial und mit Rücksicht auf Probleme abstimmt, die nicht sie selbst betreffen (zumindest nicht so doll). Ersteres ergibt da einfach mehr Sinn.
Mein Kampf in der Schule war schon immer extrem links und hat (ehrlicherweise nicht völlig erfolgreich) versucht, intersektional zu sein.
Aber warum hätte ich dann CDU und nicht Links gewählt?
Ich vereinfache hier ein bisschen und schildere mein generelles Bild.
Die CDU hat im Wesentlichen in einem ruhigen, nicht agressiven Ton gesprochen. Das hat es mir als einer Person, die viel Gewalt in Form von Anschreien erlebt hat, viel, viel leichter gemacht, mich nicht bedroht zu fühlen und überhaupt zuzuhören. Die CDU ist nicht in dem Sinne sachlich, dass ihre Informationen neutral wären, aber auf eine Art sachlich, die mir den Freiraum lässt, zu fühlen, was ich will. Sie erlaubt emotionale Distanz.
Die Linke war in meiner Erinnerung emotional und laut. Ich brauchte dissoziative Barrieren (so etwas wie eine innere Schutzmauer, die meine Trauma-Reaktion auf emotionales Schreien einkapselt), um überhaupt zuhören zu können. Und dann hat sie irgendwie erwartet, dass ich dieselben Gefühle haben müsste, weil ich sonst böse wäre, und ich habe mich abgewertet und ausgeschlossen gefühlt, weil mein Körper nicht die gewünschten Emotionen in neurotypischer Weise spiegelt.
Die CDU hat grundsätzlich erstmal gesagt, es soll den Menschen gut gehen. (Das ist einfach.) Und wenn sie eine konkretere Frage bekommen hat, oft darauf geantwortet mit “es ist kompliziert”. Anschließend haben sie Argumente in diese und jene Richtung gebracht, sodass sie differenziert wirkte. Ich habe zwar nicht verstanden, was sie mir erzählen wollte, aber generell spiegelte das meinen Eindruck der Lage wieder: Die Grundidee ist einfach, wir wollen, dass es allen gut geht, und Probleme haben im Allgemeinen keine simple Hau-Drauf-Lösung, sondern verdienen eine differenzierte Betrachtungsweise.
Die Linke hat die Aussage, dass wir wollen, dass es allen gut geht, wohl oft einfach vorausgesetzt. Oder war auch gehässig gegenüber vielen Gruppen. (Zum Beispiel mir gegenüber, weil ich so viel nicht verstanden hatte.) Da war die Frage, ob es allen gut gehen soll, auf einmal… differenziert? Und bei allen anderen Fragen hatten sie eine ironisch/zynische Hau-Drauf-Antwort, die ich auch nicht verstanden habe, insbesondere, weil die ganze Differenzierung weggelassen wurde. Und die Linke hat einfach alle Leute abgewertet, die nicht den Grips haben, die Einfachheit zu durchschauen, und zu sehen, warum die Parteien wie die CDU böse sind. Die Linke hatte schon immer ein sehr großes Problem mit Sanismus, und linke Parteien haben eine sehr starke Tendenz dazu, zynisch, sarkastisch und ironisch zu sein, ohne es dazu zu sagen. Ich habe sie sicherlich viel zu oft beim Wort genommen. (Ich bin eben autistisch.) Und dann kamen und kommen immer wieder halt so Sprüche von Seiten von Links, wie, dass das Problem wäre, dass Dumme wählen, beziehungsweise Politik machen. Das tut gerade mit der Vorgeschichte, dass ich CDU gewählt hätte, sehr weh und ist so falsch.
Die Lösung sollte nicht sein, jene, die aus Unverständnis wegen mentaler Behinderung die falschen Schlüsse ziehen, aus der Politik fern zu halten, abzuwerten und zu beleidigen, sondern die Politik einfacher und verständlicher zu vermitteln und sie barriereärmer zu machen. Ich wähle heute nicht links, weil ich mental weniger behindert wäre, sondern weil ich irgendwann doch mit Unterstützung meines Umfeldes verstehen gelernt habe, indem sie mir viele Dinge “übersetzt” haben. Ich wünsche mir von (insbesondere linken) Parteien, dass sie ihre Übersetzung selber mitliefert, statt sich zu wünschen, dass ich mich nicht in Politik involviere! (Eigentlich sogar, dass ihre Satire dazu in einem festen Satire-Rahmen bleibt und der Standard die Übersetzung ist.)
Wie ist das heute mit mir und links?
Ich wähle links, ich bin weiterhin extrem links, mir ist “Demonstration für Demokratie” oft nicht links genug und ich traue mich manchmal nicht zu sagen, wie links ich bin, weil so manche Leute in meiner Timeline sagen, sie würden Leute entfolgen, die nicht eindeutig pro Demokratie sind. Nun, das bin ich halt nicht. (Ich bin auch nicht grundsätzlich gegen Demokratie.) Aber vermutlich sind meistens Rechte gemeint, und ich bin alles andere als rechts.
Aber fühle ich mich im linken Spektrum wohl? Nein. Ich war Teil von sehr linken Gruppen, die sich antifaschistisch und sehr feministisch nennen und sich Anti-Ableismus auf die Fahnen schreiben, und ich gehe immer wieder aus solchen Gruppen raus, weil sie auch nach wiederholten Hinweisen einfach beim Alten bleiben:
- Vieles wird in zynischen, sarkastischen, ironischen, abwertenden Aussagen vermittelt, leider nicht nur gegen Nazis, sondern auch gegenüber Leuten, die nicht den Durchblick haben, ohne eine Übersetzung mitzuliefern, die für Leute verständlich wäre, die kein Ironie sprechen.
- Die Behauptung, das Durchschauen der CDU, Haltungen in politischen Debatten, richtige Entscheidungen treffen, wäre furchtbar einfach, und wer das nicht sähe… naja, irgendwie sind die selbst schuld oder ich weiß auch nicht, dumm halt.
Fazit
Arbeitet an dem Mist!
Liebe linke Menschen: Beschäftigt euch mit eurem internalisierten Ableismus/Sanismus (natürlich auch mit allen anderen -ismen, die nicht Schwerpunkt dieses Artikels sind) und arbeitet an emotionaler Gewalt. Drückt die Dinge möglichst direkt aus, ohne dabei jene abzuwerten, die Schwierigkeiten haben, hinterherzukommen. Seid laut auf der Straße, in Gewaltsituationen, wo es nötig ist, aber habt auch viel, viel Raum für jene von uns, die laut nicht können, weil wir zu viel Gewalt in dieser Form abbekommen haben. Habt generelles Verständnis dafür, dass Dinge, die ihr für einfach haltet, vielleicht gar nicht einfach sind. Entweder, weil ihr tatsächlich irgendwelche Differenzierung einfach unter den Tisch kehrt, oder weil manche Hirne halt anders gestrickt sind. Nehmt diese Wertung nicht für andere vorweg, sondern nehmt die Bedürfnisse von Menschen ernst, die Verständnisschwierigkeiten haben. Gebt Raum für verschiedenen emotionalen Umgang mit Situationen. Mangelnde oder atypische Emotionen sind nicht mit einem menschenfeindlichen Moralkompass gleichzusetzen. Und bitte hört auf, Sprüche von euch zu geben, die implizieren, dass geistig/neuronal/mental behinderte Menschen nichts in der Politik verloren hätten oder dass unsere Behinderung gar der Grund für Rechtssein/Nazisein wäre.