03 - Kinktober - Einkreisen

Content Notes

Erinnerung: Eine der Challenges, die in die Geschichte einfließen, ist der Kinktober.

  • BDSM.
  • Ausgeliefert sein.
  • Schuldgefühle.
  • Trauma.
  • Flashback.
  • Mobbing, üble Gewalt, BDSM-Non-Konsens-Erinnerung.
  • Gruppen-Dinge.
  • Nacktheit.
  • Erregung.
  • Kälte.
  • Eiswasser.
  • Viele Hände - erwähnt.
  • (Auch psychischer) Schmerz.
  • After-Care.

Prompts

  • Efeuranke (#Solarpunktober).
  • Hexen (#Phantastober). [Weil ich 4 mit 3 vertauscht habe und nun nicht neu schreiben will.]
  • Gipfel (#writetober2021).
  • draußen (#Kinktober).

Geschichte

Ihr habt das nicht gewollt. Es war meine Schuld. Ja, ich weiß, das sagen sie alle, die ein schlechtes Selbstwertgefühl haben. Die dann ein kleines bisschen in die Auslösung von etwas Schlimmen verwickelt waren, aber oft genug für zu viel davon verantwortlich gemacht worden sind, dass dieses Schuldgefühl auf einmal alles ist, was sie fühlen. So geht es mir. Es verschlingt mich, nimmt mich vollkommen ein, und ich würde es mit jedem noch so unaushaltbarem Schmerz tauschen.

Es hat alles wundervoll angefangen. Ich war auf dieser Kink-Plattform, habe mich safe gefühlt. So eine tolle Gruppe, ihr acht anderen und ich. Zwei von euch sind sehr geschickt darin, die düstersten Virtualitäten zu entwickeln, die sich so echt anfühlen, wie das Draußen. Es ging reihum. Wir sind eine Kink-Gruppe, bei denen die Fetische und Kinks der Teilnehmenden nicht von einer Person allein erfüllt werden können, sondern Gruppen brauchen. Nicht immer machen alle mit. Als es um eine Person von euch ging, die mit vielen Händen angefasst werden wollte, habe ich mich herausgehalten.

Es war so wundervoll weitergegangen. Der Tag mit meiner Virtualität war gekommen. Ich stand in der Mitte auf einem Berg, allein. Der eisige, schneeige Wind drehte permanent. Ich war in einen warmen Mantel gekleidet. Mein Körper verborgen. Aber dann tauchtet ihr auf. Auf Hexenbesen flogt ihr um mich herum. Kichertet durcheinander und kreischtet Botschaften, die ich nicht alle verstand. Dass ihr mich endlich gefunden hattet. Dass ihr mich nicht entkommen lassen wolltet. Mein Körper reagierte darauf, wie ich es mir erträumt hatte. Ich fühlte die Angst, die Bedrohung. Fing zu zittern an, verlor ein Stück Stabilität in mir, das wie ein Gefühl von Wasser meine Beine hinabrann. Es brauchte viele, damit es zerbrach. Und es musste zerbrechen, damit ich in dieser Art genießen konnte. Ich spürte, wie mein ganzer Körper vibrierte, wie mein Geist in diese unkontrollierbare Schreckenswelt kippte, die ich so sehr liebte.

Im nächsten Augenblick hob eine Hexe von euch die Arme vom Besen und verwandelte, eine laute Zauberformel sprechend, meine Kleidung in eisiges Wasser, das an mir herunterlief und brennende Spuren hinterließ. Nicht zu sehr brennende, weil Virtualitäten immer eine gewisse Sicherheit eingebaut hatten, die da Grenzen setzte.

Nun stand ich nackt da, und zitternd, und wusste, dass mich nichts mehr retten konnte. Mein Körper sehr erregt, mein Atem voll ergebener Energie, ein letztes Aufbäumen. Ich konnte nicht weg. Ich war umzingelt. Ihr schlosst den Kreis um mich enger und enger, bis ich eure Gesichter erkennen konnte. Jede Hexe von euch hob fast zeitgleich die Hand und ließ Efeuranken daraus hervorschießen, deren Ende meinen Körper erreichten, daran festwuchsen. Ihr flogt im Kreis um mich herum, bis ich in Efeu eingewickelt war, bewegungsunfähig, eurem Spiel ausgeliefert, was immer ihr mit mir machen wolltet. Ihr stiegt von den Besen, ganz dicht bei mir. Die Gesichter, alle vertraut. Und dann ist es passiert. Das Flashback.

Plötzlich war ich im Damals als Kind, als mich eine Gruppe anderer Kinder, mit denen ich Nachmittags draußen gespielt hatte, eingekreist hatte. Ich weiß nicht einmal mehr, worum es ging. Es ist auch nicht wichtig. Ich hatte es vorher wahrscheinlich sogar provoziert, dass sie es täten, weil ich diesen Fetisch hatte, den ich damals noch nicht richtig verstanden hatte. Dann wollte ich es nicht mehr und stand im Kreis. Ich hatte Stopp sagen gewollt, aber nichts war über meine Lippen gekommen. Ich war gelähmt gewesen. Und als ich dann doch leise etwas gesagt hatte, hatte eines der Kinder gesagt “Aber eben wolltest du doch noch!”.

Und ja, ich hatte es gewollt, etwas daran war gut gewesen, daran erinnere ich mich auch noch. Vor lauter Scham hatte ich nie einer Person davon erzählt, die Erinnerung verdrängt.

Jetzt gab es eine Notbremse, etwas, was die Situation mit sofortiger Wirkung auflöste und ich nutzte sie: Die Notfallgeste, mit der Virtualitäten verlassen werden. Ich sackte auf meinen Knien in meinem Spielraum zusammen. Trug nichts als meinen EM-Anzug, der feucht und durchgeschwitzt war. Der Anzug, der Virtualitäten fühlbar machte. Ich streifte mir nicht die VR-Brille vom Kopf. Es war angenehm dunkel. Der Raum, eben noch für die Virtualität mit der kalten Luft von draußen gekühlt, schloss die Luken und wärmte sich langsam wieder auf.

Aber mein Drang, euch nicht allein zu lassen, war viel zu groß. Ich gönnte mir nur ein paar Momente, um aus dem Horror der Erinnerung wieder aufzutauchen. Es war meine Schuld. Ich kannte doch diese Erinnerung, wieso war mir entgangen, dass es hier ein Flashback-Risiko geben könnte, dass ich entsprechend nicht kommuniziert hatte?

Schlotternd von besagtem Flashback betrat ich die Virtualität wieder. Ich war nicht mehr in Efeuranken gewickelt, sie langen auf dem Boden verteilt um mich herum. Eure Besen waren nicht mehr da. Ihr saßt da, mit besorgten Gesichtern. Ihr wart safe.

“Ruhig.”, sagte eine Hexe von euch. “Wenn du gerade allein sein musst, ist das in Ordnung. Wir können morgen reden.”

Ich schüttelte den Kopf. “Zu Hause ist niemand.”

“Dann bleib bei uns.”, sagte die selbe Hexe. “Wir sind da.”

Eine andere beschwor eine weiche, große Decke herauf. Ihr wusstet, dass ich in schwierigen Situationen nicht angefasst werden mag. Ich nahm sie entgegen und wickelte mich darin ein. “Es ist meine Schuld. Es war ein Flashback. Ich hätte es wissen müssen.”

Ihr schüttelt geschlossen den Kopf. “Ist es nicht.”, sagt eine weitere Hexe. “Was brauchst du jetzt?”

“Ablenkung.”, sagte ich.

Hexen waren eigentlich gar nicht die bösen Schreckensgestalten, wie ich sie mir für mein Abenteuer gewünscht hatte. Sie sind nicht das personifizierte Böse. Sie sind eigentlich auf ihre Weise gebildete Personen, immer etwas ab vom Mainstream, häufig queer. So wie ihr. Wir machen uns einfach einen gemeinsamen Video-Abend und schauen einen entsprechend queeren Hexenfilm. Einen über junge Hexen, die eine schöne Jugend erleben, gegenseitig für einander da sind, bonden. Auch wenn sie sehr unterschiedlich sind. Und dann erzählen wir uns warme Geschichten.

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